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EINTRACHT 2.1: Perspektiven für die Nachwuchsarbeit, Teil 2

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b) NLZ-Ligen: Teil der Lösung oder Irrweg?

Neben Fuñino befindet sich der Plan, geschlossene NLZ-Ligen zu installieren, auf der Nachwuchs-Agenda des DFB ganz oben.

Im Kern geht es auch hier darum, Spieler und Vereine aus dem starren Ergebniskorsett zu befreien, in dem sie sich bisher befinden. Statt eines destruktiven Ergebnisfußballs, den viele Mannschaften aus Angst vor dem Abstieg betreiben müssen – bei Eintracht war dies zum Beispiel meist der Fall – könnte man in Ruhe die Spieler weiter fußballerisch ausbilden und zwar am besten im Sinne der jeweiligen Spielphilosophie.

Dies erreicht man in erster Linie dadurch, dass es keinen Abstieg und keinen Aufstieg mehr gibt.

In England setzt man dieses Konzept der geschlossenen Nachwuchs-Ligen schon länger um, der Erfolg der englischen U-Nationalmannschaften in den letzten Jahren beweist die Richtigkeit dieses Ansatzes.

Gerade für kleinere Profi-Vereine wie Eintracht, die zwar ein zertifiziertes Nachwuchsleistungszentrum betreiben, aber schon im Jugendfußball gegen finanzkräftigere Vereine und Konstrukte nicht ankommen, wäre eine solche NLZ-Liga eine riesige Chance gewesen. Man wäre dadurch deutlich attraktiver für Nachwuchs-Akteure und könnte sich völlig auf die Qualität der Ausbildung konzentrieren, denn dann wäre für die Spieler in erster Linie ausschlaggebend, in welchem Verein sie die meiste Spielzeit bekommen.

Deutlich mehr noch als bei Fuñino gibt es allerdings enormen Widerstand seitens vieler Regionalverbände und Amateur-Vereine.

Auch hier sind die Kritikpunkte keineswegs aus der Luft gegriffen, auch hier sind sie eigentlich in einer Gesamtschau nicht ausreichend – der Widerstand hat jedoch bisher Erfolg gehabt, die Pläne liegen mehr oder minder auf Eis.

Was es auf jeden Fall in diesem Jahr geben wird – man kann das als Anfang, als Test oder als Ersatz sehen – ist eine Zusatzrunde ab März: „Teilnahmeberechtigt sind alle Vereine der A- und B-Junioren-Bundesligen. Der neue Wettbewerb wird im Anschluss an die auf eine einfache Runde verkürzten Ligen von Ende März bis Juni 2023 ausgetragen.“

Da die U19 und die U17 des BTSV wie gesagt jeweils in der Regionalliga an den Start müssen, sind sie demnach nicht mit dabei. Diese Tür ist – vorläufig – zu. Allerdings haben sowohl die U19 als auch die U17 eine echte Chance, wieder aufzusteigen.

Sollte sich für dieses neue Konzept doch noch eine Mehrheit finden lassen in den Verbänden, wäre es für Eintracht eine große Chance und man müsste alle Hebel in Bewegung setzen, um Teil dieser neuen Nachwuchsligen zu werden.

c) Die Regionalisierung der Jugendarbeit

Internationale Vorbilder:

Ein entscheidender Baustein bei Vereinen wie dem FC Nordsjaelland, dem FC Midtylland, Athletic Bilbao und AZ Alkmaar, die im Nachwuchsbereich seit langem äußerst erfolgreich sind, ist die Regionalisierung der Jugendarbeit. Die innovative Vorgehensweise der beiden dänischen Vereine wurde hier schon ausführlich vorgestellt:

FC Nordsjaelland und FC Midtylland

Beim FC Nordsjaelland hat man das Netzwerk inzwischen so erweitert, dass kein interessanter Nachwuchsspieler der Region mehr übersehen werden kann. Er soll dann aber so lange wie möglich bei seinem Heimatverein ausgebildet werden, muss also nicht die langen Wege zum Training auf sich nehmen, vielmehr kommt das Training beziehungsweise kommen die Trainer zu ihm. Die Heimatvereine bekommen zudem Unterstützung, was Spielstil, Trainerausbildung und Trainingsinhalte betrifft.

Der FC Midtylland kooperiert mit hundertfünfzig Vereinen im westlichen Teil Jütlands – also quasi mit jedem.

Athletic Club Bilbao

Beim baskischen Club Athletic Bilbao, welcher noch nie aus der Primera División abgestiegen ist, obwohl (oder weil) ausschließlich baskische Spieler für die „Leones“ im Estadio San Mamés auflaufen dürfen, ist es quasi überlebenswichtig, so intensiv wie möglich in der eigenen Region zu scouten. Alleine dafür hat man zwanzig Mitarbeiter zur Verfügung, die über hunderfünfzig „Brudervereine“ unterstützen. (Der baskische Konkurrent Real San Sebastian agiert im Übrigen in ähnlicher Weise.)

AZ Alkmaar

Abgesehen davon, dass man beim AZ Alkmaar, derzeit Zweiter der Eredivisie, datenbasiert arbeitet (Mr. Moneyball Billy Beane ist seit 2015 Berater) und viel Geld gezielt in die Infrastruktur und die Qualifizierung der Mitarbeiter investiert hat, um – ähnlich wie die angesprochenen dänischen und baskischen Vereine – gegen eigentlich übermächtige Konkurrenz aus größeren und wirtschaftlich damit stärkeren Standorten anzukommen, hat man ein ausgefeiltes Konzept für die Jugendarbeit auf die Beine gestellt, mit dem man seit einer Reihe von Jahren sehr erfolgreich arbeitet – über die Hälfte der Spieler der ersten Mannschaft stammt aus dem eigenen Nachwuchs. Ein wesentlicher Baustein dabei ist die Zusammenarbeit mit dem Amsterdamer Analyse-Unternehmen „Brains First“, welches sich um den kognitiven Bereich kümmert.

Der bekannteste Spieler, der aus der AZ-Schule kommt, ist Teun Koopmeiners, inzwischen bei Atalanta Bergamo in der Serie A unter Vertrag. Auch Immanuel Pherais Karriere begann im NLZ von AZ Alkmaar.

Bis 2021 war Marijin Beuker für die strategische Planung zuständig. Ein wichtiger Baustein dieses Konzeptes ist die Regionalisierung der Jugendarbeit (Link ist leider down):

„Wir beherbergen unsere Neun-, Zehn- und Elfjährigen in regionalen Fußballschulen, weil wir lieber die besten 200 Spieler der Provinz haben als nur die besten 20 einer Altersklasse. Die Kinder kommen ein- bis zweimal pro Woche zum Training in diese regionalen Fußballschulen; Sie trainieren im AZ-Projekt für Intelligenz/kognitive Fähigkeiten und trainieren dann zwei- oder dreimal pro Woche mit ihren Amateurclubs.“

Hier bringt man also ebenfalls Trainer und Training zu den jungen Spielern, was eine enorme Erleichterung für den Alltag bedeutet.

Auch sonst sind die Vorteile offensichtlich: Das Reservoir an potentiellen Nachwuchsspielern wird enorm vergrößert, die Qualität des Trainings und damit der Nachwuchsspieler in den Amateurvereinen wird gesteigert, die Bindung zwischen dem großen Verein und den Clubs der Region wird verstärkt und die Chancen, dass Spieler, die irgendwann den Anforderungen des NLZ nicht mehr gewachsen sind, zu ihren Heimatvereinen zurückkehren und dort ihre Karriere zumindest als Amateurkicker fortsetzen, steigen.

Und bei Eintracht?

Bei Eintracht geht man inzwischen im Prinzip den gleichen Weg: „Aktuell wirken sechs Vereine im Rahmen dieser Partnerschaft aktiv mit. Hierzu zählen neben der Fußballabteilung des BTSV auch die Freien Turner Braunschweig, der TSV Germania Lamme, der SC Rot-Weiß Volkmarode, die JSG Gifhorn Nord und der SV Reislingen-Neuhaus.“

Was die Zielsetzung angeht, heißt es beispielsweise auf der Homepage des TSV Germania Lamme: „(…) Ziel des Projekts ist die Förderung des Jugendfußballs in Braunschweig und der erleichterte Wiedereinstieg in den Sport. Die Kooperation umfasst insbesondere Fortbildungen für unsere Jugendtrainer, Hospitationen, Talentsichtungen und Workshops zu verschiedenen Themen rund um moderne Trainingsgestaltung.“

Beim SC Rot-Weiß Volkmarode findet man Ähnliches.

Der BSC Acosta gehört bedauerlicherweise nicht dazu, was sich auch in absehbarer Zeit nicht ändern wird, da man dort eine ähnliche Kooperation mit der Konkurrenz am Kanal eingegangen ist. Als Ausgleich sozusagen ist der SV Reislingen-Neuhaus in unmittelbarer Nähe der Werkssiedlung beheimatet.

Dieser Ansatz, den André Kucharski, der zuständige Koordinator beim BTSV, hier genauer erläutert, ist absolut zu begrüßen. (Das gilt – auch wenn es für Eintracht nicht der primäre Aspekt sein kann – auch für die Förderung des Breitensports im Kinderbereich.)

Bisher ist die Kooperation mit sechs Vereinen allerdings nicht viel mehr als ein positiver Ansatz. Es wäre zwar absolut vermessen, nun zu erwarten, dass man innerhalb der nächsten Jahre den Umfang der Kooperationen auf das Niveau der oben angesprochenen Vereine heben kann.

Aber um mittelfristig echte Effekte für Eintracht erreichen zu können, muss dieses Projekt unbedingt auf umliegende Städte wie Wolfenbüttel, Goslar und vor allem Salzgitter ausgeweitet werden.

Gerade die Industrie-Stadt Salzgitter, die zu den 41 Städten mit über 100 000 Einwohnern gehört, in denen kein Profi-Verein ansässig ist, bietet sich als das perfekte Zielgebiet an. Dieses enorme Talente-Reservoir muss man so schnell es geht für sich nutzbar machen.

Außerdem ist beim MTV Wolfenbüttel mit Deniz Dogan seit dieser Saison ein Ex-Löwe Chef-Trainer, diese Verbindung sollte ebenfalls zügig aktiviert werden.

Es liegt auf der Hand, dass Art und Ausmaß dieser Ausweitung in erster Linie abhängig sind vom Umfang der finanziellen Ressourcen. An dieser Stelle (und an anderen, auf die in den kommenden Teilen noch genauer eingegangen werden wird) sind daher aktuelle und potentielle Sponsoren gefragt, ihr Engagement deutlich zu erhöhen beziehungsweise zu starten.

Die oben angeführten Beispiele belegen, dass sich dies auf jeden Fall lohnt – zumindest wenn man langfristig plant.

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Der erste Teil dieser Serie: https://2hundert10.de/2023/01/22/eintracht-2-1-perspektiven-fuer-die-jugendarbeit-in-braunschweig-teil-1/

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