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Eintracht 2.1: Perspektiven für die Jugendarbeit, Teil 4

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Durch differenzielles Training zu mehr Spielintelligenz und Selbständigkeit

3) Prinzipien und Methoden der Trainingsgestaltung

a) Grundsätzliches – “Fußball wird mit dem Kopf gespielt, die Füße sind bloß Werkzeuge” (Andrea Pirlo)

Vorweg: Dass die im Ansatz schon bestehende Regionalisierung der Jugendarbeit (siehe Teil 2) sehr zügig ausgebaut werden muss und dass man Funino (siehe Teil 1) als vorgeschriebene Spielform für die G-/F-Jugend akzeptieren und als Chance verstehen sollte, steht hoffentlich kurz- und mittelfristig auf der Agenda von Verein und NLZ ganz weit oben.

Mehr denn je ist es offensichtlich nötig, neue Wege zu beschreiten, da die üblichen Methoden nicht zum Erfolg geführt haben. Dafür sind einerseits Ideenreichtum und Kreativität nötig und andererseits Geduld und langer Atem (sowie deutlich mehr finanzielles Engagement).

Bei Eintracht wird man in der Regel nie die absolute Elite eines Jahrgangs, nie „den“ kommenden Unterschiedsspieler bekommen (bzw. die Spieler, welche zum jeweiligen Zeitpunkt als solche eingeschätzt werden). Indem man sich des Relative-Age-Effekts bewusst ist (siehe Teil 3), ihn nutzt und so vermehrt auf Spieler setzt, die in der zweiten Jahreshälfte geboren sind, besetzt man daher eine wichtige Nische.

Um so entscheidender ist es anschließend, das Training so zu gestalten, dass die eigenen Jugend-Spieler bestmöglich entwickelt werden, um sie nach der U19 (bzw. U18) dazu zu befähigen, in die Profi-Mannschaft aufzurücken.

Dafür sind vor allem folgende Basics von besonderer Bedeutung:

Passspiel (400 – 500 Pässe/Spiel), Zweikampfführung (150 – 200 Zweikämpfe/Spiel) sowie sekundenschnelle und eigenständige Entscheidungsfindung (Spielintelligenz).

Basierend auf Funino ist das Auflösen kleinerer Spielsituationen im Passspiel und das Gewinnen von Zweikämpfen das A und O im Fußball. Je häufiger, je länger das trainiert wird, um so besser.

Bei den Gegebenheiten des heutigen Fußballs sind Raum und Zeit durch das enorme Tempo so verknappt, dass Gedankenschnelligkeit (man könnte auch sagen Spielintelligenz) darüber entscheidet, ob ein Spieler in Zweikämpfen und anderen Spielsituationen in Bruchteilen von Sekunden die richtige Entscheidung treffen kann.

Also muss mehr als bisher der wichtigste “Muskel” im Zentrum stehen – das Gehirn und damit der kognitive bzw. neuroathletische Bereich.

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Eine Besonderheit im Vergleich zu anderen Mannschaftssportarten besteht darüber hinaus darin, dass Spieler im Profi-Bereich 45 Minuten in einem lauten Stadion mehr oder minder auf sich alleine gestellt sind. Christian Flüthmann hat dies sehr erhellend im Podcast Gegengerade spezial erläutert.

Es gibt im Fußball keine Auszeiten (die Nagelsmann beispielsweise fordert), keine Aus- und wieder Einwechslungen, der Trainer kann nur in der Halbzeitpause echte Impulse setzen. Fußball sei in der Jugend zwar noch ein „Trainer-Spiel“, da Trainer zumindest Anweisungen von außen hineinrufen können, im Herren- bzw. Profi-Bereich sei es jedoch komplett ein „Spieler-Spiel“, da das Hineinrufen wegen des besagten Lärms von den Rängen nicht mehr möglich sei (Ausnahme: die Spiele unter Pandemie-Bedingungen).

Es spricht demnach viel dafür, dass genau dieser Unterschied einer der Ausschlussfaktoren ist für Jugendspieler, welche eigentlich genug Potential hätten, aber dennoch im Profi-Bereich nicht Fuß fassen können.

Darum müsste das Training von Beginn an so gestaltet werden, dass – in Kombination mit der Entwicklung des kognitiven Bereiches – die Selbständigkeit der Spieler im Vordergrund steht.

b) Die Trainingsphilosophie im NLZ des BTSV

Bei Eintracht sieht man sich seit ein paar Jahren dem sogenannten Spiel-Kompetenz-Modell verpflichtet, wie Jesper Schwarz es in diesem Video ab 4:52 beschreibt. Man sei darauf durch die Suche nach “best Practice” im Ausland gekommen.

In der Tat ist dieses Modell – entwickelt von Matthias Lochmann, der sich an Horst Wein orientiert hat (siehe Teil 1) – allgemein anerkannt und wird sowohl in Deutschland als auch im Ausland praktiziert. Es ist integraler Bestandteil des neuen Nachwuchs-Konzeptes des DFB.

Es besteht aus drei (bzw. vier) Elementen: Wahrnehmen lernen, (verstehen lernen), entscheiden lernen und ausführen lernen. Wenn ein Spieler alle vier Elemente verinnerlicht hat und in Wettkampfsituationen effektiv anwenden kann, verfügt er über die oben angesprochene Kernkompetenz Spielintelligenz.

Jesper Schwarz hebt in dem angesprochenen Interview mit Recht hervor, dass dieses Spiel-Kompetenz-Modell wissenschaftlich fundiert sei, und dass die Kinder und Jugendlichen im Rahmen von Spielformen die nötigen Fähigkeiten “induktiv” lernen sollen.

Induktiv – im Gegensatz zu deduktiv – bedeutet grundsätzlich, dass man vom Speziellen zum Allgemeinen, vom Einzelfall zum Prinzipiellen gehen möchte. Wichtig dabei ist vor allem, dass dieser Lernprozess (größtenteils) eigenständig durchgeführt wird.

Beim AZ Alkmaar (2023 im Halbfinale der Conference-League und Titelträger der UEFA-Youth-League (5:0 über Hajduk Split)) wird die gleiche Vorgehensweise “implizites” Lernen genannt. Das Ergebnis: Die Nachwuchs-Spieler von AZ sind “schneller, wacher und intel­li­genter (…) als der Gegner.”

Ein dritter – ebenfalls grundsätzlich bedeutungsgleicher – Begriff, der häufig in diesem Zusammenhang verwendet wird, ist differenzielles Lernen. Um die Besonderheiten und die besonderen Vorteile dieses Ansatzes soll es im nächsten Abschnitt gehen:

c) DIFFERENZIELLES LERNEN: “Repeating without Repeating”

Wie der Name es schon nahelegt, sind die Vertreter dieser Methode, zu nennen sind da vor allem Wolfgang Schöllhorn (selbst früher Leistungssportler; Sportwissenschaftler an der Universität Mainz) und Rob Gray (Sportwissenschaftler und Psychologe aus Arizona) der Überzeugung, dass echtes Lernen nur durch Differenzen möglich ist. Sie stützen sich dabei unter anderem auf Erkenntnisse aus der Hirnforschung.

(Auch Schöllhorn bekam im Übrigen wesentliche Anregungen durch eine Hospitation bei Paco Serul-lo, dem Fitness-Papst des FC Barcelona.)

Thomas Tuchel als Pionier

Bekannt geworden ist dieser Ansatz durch Thomas Tuchel, der in seinem berühmten Vortrag “Der Ausbruch aus Routinen” überzeugend erläutert hat, warum es damals für ihn als neuem Trainer bei Mainz 05 absolut notwendig war, alte Denk-und Verhaltensmuster aufzubrechen, was in dem Prinzip gipfelt, niemals eine Trainingsform zu wiederholen.

Dafür habe er unter anderem seine Coaching-Rolle neu definiert, indem er nicht ständig eingegriffen und kritisiert habe, sondern beispielsweise durch das Abschneiden der vier Ecken die Spielfläche zu einem Diamanten zugeschnitten und verkleinert habe, wodurch die Spieler automatisch sein Spielprinzip, “diagonal flach nach vorne zu spielen”, verinnerlichen und umsetzen mussten.

Pedro Mendoncas Buch über Thomas Tuchel heißt dementsprechend “A Differential Coach“.

Impulse dafür hat sich Tuchel in Mainz an der dortigen Universität bei besagtem Professor Schöllhorn geholt, welcher schon 1999 erstmals seine Vorstellungen vom differenziellen Trainieren und Lernen veröffentlicht hat.

Theoretische Grundlagen

Sein Grundprinzip kann man folgendermaßen beschreiben:

“Bewegungen unterliegen ständigen Schwankungen und können nicht (exakt) wiederholt werden. Darüber hinaus sind Bewegungen individuell bzw. personenspezifisch, was bedeutet, dass sich niemand auf die gleiche Weise bewegt wie ein anderer Mensch. (…) Durch das ständige Konfrontieren mit unterschiedlichen Aufgaben (Differenzen) soll die Fähigkeit, sich an neue Situationen im Bereich des Lösungsraums schneller adäquat zu reagieren, erlernt werden. (…) Gerade bei einer solch situationsabhängigen und von Zufällen geprägten Sportart wie Fußball ist ein derartiger Denkansatz sinnvoll. Denn jeder soll in einem individuellen autonomen Prozess sein eigenes Bewegungsoptimum finden. Korrekturen durch den Trainer zugunsten einer allgemeinen Zieltechnik sind dabei zu vermeiden. (…).”

Es gibt also nicht ein “RICHTIG” und tausend “FALSCH”, sondern unzählige Varianten, die je nach Situation besser oder schlechter passen.

Der entscheidende Punkt in Hinblick auf das Training ist immer, mit Einschränkungen (“constraints”) und Variationen jeder Art zu arbeiten, welche die Übung in gewisser Weise schwerer machen, kognitiv anstrengender sind und die Spieler dazu zwingen, “out of the box” zu denken, um neue Lösungen zu finden. Den Spielern dürfen keine vorgefertigten Lösungswege aufgezwungen werden, man muss ihnen vielmehr wie Tuchel ständig neue Probleme vorsetzen, die sie selbständig (“self-organized”) und kreativ zu lösen haben.

Aber gerade differenzielles Trainieren und Lernen muss man differenziert betrachten:

Schöllhorn vertritt beispielsweise die Auffassung (ab 25:30), dass es bei jüngeren Kindern noch nicht nötig sei, zusätzliche Differenzen einzubauen, weil Streuungen von sich aus in ihrem Bewegungsablauf enthalten seien. Dennoch solle man so früh wie möglich damit starten. Außerdem bräuchten Menschen mit einem hohen Kontrollbedürfnis grundsätzlich Wiederholungen, weil dadurch Stabilität entstehe.

Ergänzen könnte man noch, dass ständiges Wiederholen “unter Druck” und mit ständigen Korrekturen von außen bei einer großen und sehr heterogenen Lerngruppe notwendig erscheinen mag. Je homogener und je leistungsbereiter eine Lerngruppe jedoch von sich aus ist – was für eine U-Mannschaft in einem NLZ grundsätzlich zutrifft – um so passender ist sein Ansatz.

Sinnvoll sei eine sukzessive Steigerung von 5 % zu Beginn bis hin zu 90 – 95 % ein paar Monate später.

Schöllhorn zufolge müsse der Grad der Differenzialität um so höher sein, um so fortgeschrittener der Spieler sei, die Variationen sollten dabei bedacht und gezielt eingesetzt werden.

(Beim Abschlusstraining vor einem Spiel ist es allerdings sicher am besten, ausschließlich mit dem “Spielball” zu trainieren.)

Die Aufgabe des Trainers bestehe vor allem darin, den Trainingsprozess vorzubereiten, ihn anschließend detailliert (am besten datenbasiert) zu evaluieren und den Prozess dann dementsprechend zu modifizieren. Der Trainer stehe, wie Rob Gray es ausdrückt, zwischen dem Athleten und den Daten.

Bei AZ Alkmaar oder auch beim baskischen Verein Real Sociedad San Sebastian werden alle Nachwuchsspieler regelmäßig vom Amsterdamer Analyse-Unternehmen BrainsFirst auf ihre kognitive Leistungsfähigkeit getestet.

Der Trainer an sich wird durch den differenziellen Ansatz mit anderen Worten nicht überflüssig, im Gegenteil – seine Arbeit wird dadurch vielfältiger und anspruchsvoller.

Laut Hendrik Beckmann haben über 40 Studien bewiesen, dass Lernerfolge bei der differenziellen Methode intensiver und nachhaltiger seien als bei der konventionellen. Es gibt also eine äußerst solide empirische Basis. “Nebenbei” habe sich auch ergeben, dass die Prävention von Verletzungen besser gelinge.

Sehr überzeugend erläutert Rob Gray Grundlagen und Konsequenzen des “ecological Approach” in seinem Video “A different Way of Thinking about Soccer Practice and Training”. Dabei wendet er sich unter anderem gegen die landläufig beliebte Verwendung von Slalom-Stangen und Pylonen (ab 13:17), weil sie seiner Ansicht nach keinen positiven Effekt haben, um sich als Fußballer zu verbessern. Stattdessen propagiert auch er spielnahe Trainingsformen wie 3 gegen 3, also letztlich Funino. Genauso attestiert er Futsal einen großen Lerneffekt.

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Praktische Umsetzungen

Differenzieren kann man auf fast jede erdenkliche Weise. Schöllhorn hat mit unterschiedlichen Schusshaltungen angefangen. Sehr effektiv sind darüber hinaus Variationen bei der Größe und dem Schnitt der Spielfläche wie bei Tuchel, beim Untergrund der Spielfläche und bei der Art des Balles.

Bei AZ Alkmaar gibt es zum Beispiel in der Jugendakademie Plätze mit unterschiedlichen Belägen: Rasen, Kunstrasen, Kunststoff und Sand. Bälle verschiedener Größe und mit unterschiedlichem Gewicht – Futsalbälle, Handbälle, Tennisbälle, … – sorgen in Kombination damit “fast von alleine” dafür, dass sich der Spieler ständig umstellen muss, dass er ständig mit neuen kognitiven Herausforderungen konfrontiert wird.

Unter den Praktikern ist Matthias Novak, (2007 – 2017 Techniktrainer bei Bayern München) einer der Pioniere des “kognitiven Trainings”, mit dem der differenzielle Ansatz große Überschneidungen hat. In diesem kurzen Video sieht man sehr gut, wie man durch simple Differenzierungen (z.B. mit den Fingern schnipsen während des Passens) eine einfache Passübung kognitiv aufladen kann.

Beispiele aus dem visuellen Bereich – “kleine Klappe, große Wirkung”

Ein weiterer Bereich, mit dem es logischerweise große Schnittmengen gibt, ist – im Kontext des oben angesprochenen “Wahrnehmen Lernens” – das Scanning, die sogenannte “Vororientierung“. Bei dem enormen Spieltempo heutzutage ist es eine der absoluten Schlüsselkompetenzen, denn der Kopf ist nur so schnell wie die Augen.

Je häufiger der “Schulterblick” angewendet wird, desto mehr erhöht sich die Handlungsschnelligkeit. Gerade zentrale Mittelfeldspieler wie Xavi, Iniesta, Thiago, Modric oder Odegaard sind unter anderem wegen dieses Schulterblicks Weltklassespieler, denn nur so können ihre Pässe derart genau und effektiv sein.

Eine sehr wirkungsvolle (und preiswerte) Möglichkeit, durch differenzielles Lernen das Scanning deutlich zu verbessern, ist die Verwendung von Augenklappen – auch wenn das auf den ersten Blick exotisch anmuten mag. Durch die Einschränkung des Sichtfeldes ist der Spieler nämlich quasi automatisch gezwungen, seinen Kopf bewusster und häufiger zu drehen, um sich genauso gut orientieren zu können wie ohne Augenklappe.

Auf der Seite talentkritiker.de ist ein Augenklappen-Training mit Nachwuchskickern aus der neurozentrierten Perspektive dokumentiert. Auch im Profi-Bereich kann man damit – wie Bryan Henning hier bei Union – noch Verbesserungen erzielen.

Bild von pngwing

Ein paar Regale oberhalb der Augenklappe sind die Stroboskop-Brillen anzusiedeln. Dass es so viele erfolgreiche Torhüter aus der Schweiz gibt, soll unter anderem daran liegen, dass Patrick Foletti, der Schweizer Torwarttrainer, diese Innovation schon vor einigen Jahren in sein Training eingebaut hat.

Eine Studie des DFB erklärt die Wirkungsweise folgendermaßen:

“Durch die Verdunkelung reduziert die stroboskopische Brille die Menge an visuellen Informationen schlagartig. Dadurch soll das Gehirn dazu angeregt werden, die noch zur Verfügung stehenden Informationen effektiver zu nutzen und/oder zusätzlich Input durch andere Sinne – wie das Gehör oder den Bewegungssinn – zu verarbeiten. (…). Sie basiert auf der Annahme, dass diese Art des Gehirntrainings die Leistungsfähigkeit unter normalen visuellen Bedingungen verbessert. Das Gehirn – eines Torhüters zum Beispiel – soll so lernen, die Geschwindigkeit und Bewegungsrichtung des Balls vorausschauend abzuschätzen. Nicht nur die Antizipation, sondern auch die Widerstandsfähigkeit gegenüber Ablenkungen soll so trainiert werden. (…)”

Roger Federer soll an der Entwicklung dieser Spezialbrille beteiligt gewesen sein, auch Jamal Musiala schwört darauf.

Diese Beispiele aus dem visuellen Bereich verdeutlichen sehr anschaulich, dass es beim differenziellen Lernen immer darum geht, im Training zusätzliche Hürden aufzubauen, wodurch in Relation dazu die Situation in einem Punktspiel “leichter” wirkt.

Mindestens so hilfreich für die Verbesserung des Scanning sind Virtual-Reality-Brillen. Zudem gibt es für den kognitiven Bereich allgemein sehr wirkungsvolle Training-Apps. (Dazu Genaueres im nächsten Teil.)

Der Gegenentwurf: Coerver-Coaching

Es sollte nicht verschwiegen werden, dass es wie so häufig auch eine absolute Gegenposition gibt, entwickelt vom Holländer Wiel Coerver, der beim Technik-Training gerade auf die von den Differenzialisten verpönten Wiederholungen setzt.

Eine ganze Reihe deutscher Vereine schickt ihre Nachwuchs-Trainer zu den Schulungen von Coerver. Auch Benkovics Heimatverein Dinamo Zagreb, der seit langer Zeit eine sehr erfolgreiche Jugendarbeit betreibt, setzt auf dessen Methodik. Hier hält man das Bestehen in Zweikämpfen, das Eins gegen Eins ebenfalls für das A und O. Das Dribbling soll daher im NLZ Dinamos in den unteren Alterklassen ohne Gegnereinfluss eingeschliffen werden.

Die Kritikpunkte an dieser Methode sind aber nachvollziehbar und überzeugend: Marco Henseling beispielsweise bemängelt den Fokus auf Eins-gegen-Eins-Situationen und die starre Struktur. Außerdem ist er der Überzeugung, permanentes Eingreifen des Trainers sei “überholt”.

Todd Beane verstärkt dies noch, indem er betont, dass diese Methode sehr gut für die Trainer funktioniere, dass es aber nicht um den Trainer, sondern um die Spieler gehe.

Davon unabhängig gilt jedoch auch hier das Motto “Das eine tun und das andere nicht sein lassen.” Beide Ansätze kann man individuell gut miteinander kombinieren. Denn interessante Impulse für die Trainingsarbeit gibt es bei Coerver definitiv, es schadet also keinesfalls, Trainer aus dem NLZ dort hinzuschicken (um weitere Qualifizierungsmaßnahmen geht es im übernächsten Teil).

d) FAZIT

„Um außergewöhnliche Athleten zu bekommen, muss ich außergewöhnlich trainieren.” So formuliert es Schöllhorn in aller Unbescheidenheit. Der differenzielle Trainingsansatz ist außergewöhnlich – außergewöhnlich gut, könnte man genauso unbescheiden ergänzen, denn er rückt den wichtigsten “Muskel” – das Gehirn – ins Zentrum.

Wie am Beispiel des Einsatzes von Augenklappen deutlich wird (ohne den differenziellen Ansatz darauf reduzieren zu wollen) werden kognitive Kernkompetenzen wie das Scanning “halb-automatisch” vermittelt und vertieft.

Je vielfältiger und gezielter die Einschränkungen in den Trainingselementen durch die Trainer gestaltet werden, desto eigenständiger wird der Spieler diese Herausforderungen auf Dauer lösen können.

Vom Ansatz her scheint man im NLZ des BTSV auf dem richtigen Weg zu sein, man muss ihn nun entschlossen, mutig und konsequent weitergehen. Beispielsweise Augenklappen dafür anzuschaffen ist keine große Ausgabe.

Ausblick

Im Endeffekt kann man die Talentförderung auf eine einfache Formel herunterbrechen:

“Talent braucht Zeit, Zeit braucht Raum, Raum braucht Geld.”

Wie dieser “Raum” aussehen kann und welche weiteren Trainingshilfen (wie zum Beispiel VR-Brillen) sinnvoll wären, um Trainingserfolge signifikant zu vergrößern, darum wird es im nächsten Teil dieser Serie gehen.

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LITERATUR:

Daniel Coyle: Erfolg braucht kein Talent (Der Schlüssel zu Höchstleistungen in jedem Bereich) München 2019

Rob Gray: How we learn to move 2021

Daniel Kahneman: Schnelles Denken, langsames Denken München 2012

Daniel Memmert: Fußballspiele werden im Kopf entschieden Aachen 2019

Pedro Mendonca: Thomas Tuchel – a differential Coach! 2023

Wolfgang Schöllhorn: Schneller Sprinten und Laufen in allen Sportarten Schorndorf 2011

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Die Teile I bis III dieser Serie:

https://2hundert10.de/2023/02/03/__trashed/

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