Gegnergespräch SV Darmstadt 98
7 min readNachdem am vergangenen Spieltag der Tabellendritte aus Heidenheim bezwungen werden konnte, geht es am Sonntag zum Spitzenreiter der 2. Bundesliga: Der von Torsten Lieberknecht trainierte SV Darmstadt 98. Die Darmstädter sind seit dem 2. Spieltag ungeschlagen und sind auf einem guten Weg, die Rückkehr in die Bundesliga zu packen. Bevor es für mich und etwa 800 weitere Löwen-Fans auf die Reise zum Stadion am Böllenfalltor geht, habe ich mich mit Matthias unterhalten. Der Dauerkarteninhaber beschäftigt seit einiger Zeit auf verschiedene Weisen mit seinem Herzensverein. Danke für deine Zeit, Matthias!
Moin Matthias! Schön, dass du dir die Zeit für unser Gegnergespräch nehmen konntest! Stell dich doch mal kurz vor!
Gude Kivi. Ich habe am Bölle eine Dauerkarte für die Gegengerade. Da es dort mittlerweile Sitzplätze gibt, sollte ich noch hinzufügen, dass ich stehe. Ich blogge über die Lilien, mache beim Lilien-Podcast „Hoch und weit“ mit, schreibe eine Lilien-Kolumne in einem Darmstädter Stadtmagazin und seit zwei Jahren führe ich immer mal wieder Interviews für das Stadionmagazin der Lilien.
Seit wann bist du Fan deines Vereins und wie bist du Fan geworden?
Ich bin zum Studieren nach Darmstadt gekommen, dann zunächst ein paar Mal alleine ins Stadion gegangen und später regelmäßiger mit Kumpels. So richtig Fan wurde ich erst, als ich nach dem Studium weggezogen bin und die Lilien immer so ein Ankerpunkt waren, wenn ich mal wieder vorbeigeschaut habe. Das war wie heimkommen. Inzwischen lebe ich schon länger wieder in der Gegend und seit knapp zehn Jahren habe ich eine Dauerkarte. Davor war das einfach nicht nötig. Du hast in der 4. und 3. Liga mühelos ein Ticket bekommen.
Wohin ging deine letzte Auswärtsfahrt?
Vor einer Woche nach Sandhausen.
Wie viele Auf- und Abstiege hast du miterlebt?
Oh, gute Frage. Das müssten vier Auf- und drei Abstiege gewesen sein.
Was war bisher dein emotionalster Moment?
Auch wenn ich nicht vor Ort war, ganz klar der Relegationskrimi in Bielefeld. Jeder Lilien-Fan weiß und wird nie vergessen, wo er das Spiel gesehen hat.

Du betreibst einen Blog, den Kickschuh.Blog. Erzähl doch mal, was du da so machst! Was war bisher dein liebstes Projekt?
Lange Zeit habe ich die Lilien Woche für Woche mit einem Vorbericht begleitet und mich dabei auch – wie Du jetzt – mit Bloggern und Podcastern anderer Klubs ausgetauscht. Das war toll, denn so hat man ein kleines Netzwerk geschaffen und über den Tellerrand geblickt. Inzwischen schreibe ich deutlich weniger. Zumeist, wenn es darum geht, Neuzugänge vorzustellen. Ich befrage dann Begleiter des abgebenden Klubs zu den Neuen. Anfänglich Blogger, nun vermehrt Journalisten. Da sich die 98er inzwischen häufig im Ausland umschauen, ist das sehr interessant und wird auch gut von den Lesern angenommen. Zuletzt durfte ich Christoph Zimmermann interviewen. Ich habe viel mit ihm über seine Zeit in England gesprochen. Er ist ein bemerkenswerter und reflektierter Charakter!
Nach einem emotional aufgeladenen Aufstieg gegen Bielefeld in der Aufstiegsrelegation zur 2. Bundesliga folgte der Durchmarsch in die Bundesliga. Dort habt ihr dann sogar den Klassenerhalt geschafft. Nachdem es in der Folgesaison wieder eine Liga runter ging, habt ihr die letzten Jahre in der 2. Bundesliga verbracht. Seit einiger Zeit spielt ihr eine immer größere Rolle im Aufstiegskampf. Beschreib doch einmal die Gefühlswelt eines Lilien-Fans der letzten Jahre.
Schon der Drittligaaufstieg war krass, denn damit waren wir 2011 endlich wieder auf der Deutschlandkarte vertreten. Der Durchmarsch in die Bundesliga plus Klassenerhalt war dann unter den Rahmenbedingungen (Kader, Infrastruktur, etc.) mehr als unwahrscheinlich und dafür umso besser. Nach dem erwartbaren Abstieg mussten wir eine Saison erstmal ankommen und hatten unfassbares Glück, drin zu bleiben. Danach sind wir schrittweise immer besser zurecht gekommen. Parallel professionalisierte sich der Verein und er ist heute ein guter, grundsolide aufgestellter Profiklub. Eine Aussage, die vor zehn Jahren so völlig absurd geklungen hätte. Und das macht einen schon stolz, dass die 98er einen Fehler in der Matrix beherzt ergriffen und genutzt haben.
Wie bewertest du eure bisherige Saison, was läuft momentan gut bei euch, was bereitet Sorgen?
Die Saison ist bislang rundum gelungen. Die Mannschaft ist gefestigt, steht hinten stabil, agiert vorne effizient. Darmstadt spielt inzwischen nicht mehr nur mit Herz, sondern auch mit Köpfchen. Das hat man in Frankfurt gesehen. Das Spiel wirkt reifer und selbst die diversen Ausfälle wurden bislang gut kompensiert. Dennoch bereitet mir das tatsächlich die meisten Sorgen. Dass die Ausfälle irgendwann nicht mehr aufgefangen werden können. Auch jetzt sind es mit Pfeifer, Bader, Gjasula und Seydel vier länger fehlende Spieler, die entweder Leistungsträger sind oder – wie Seydel – als Joker immer stechen können. Andere kommen erst aus langen Verletzungen zurück und sind noch keine Kandidaten für 90 Minuten.
Was sind die Ziele und Erwartungen für den Rest der Saison?
Nach dem Spiel in Frankfurt gab es – auch medial – viele Stimmen, für die unser Aufstieg schon safe ist. Die Lilien tun gut daran, in ihren Statements auf die Bremse zu treten. Torsten Lieberknecht hat die Parole ausgegeben, die Jungs sollen die Jäger nach Punkten sein. Das beschreibt es doch ganz gut. Der Fokus liegt auf dem Hier und Jetzt und nicht schon auf dem Saisonende. Denn nach 19 Spielen und mit 42 Punkten ist noch keiner aufgestiegen.

Hast du einen Lieblingsspieler?
Da gibt es aktuell ein paar Kandidaten im Kader. Wenn ich aber einen benennen müsste, dann wäre es Matthias Bader. Ein technisch versiert und offensiv denkender Außenverteidiger. Derzeit ist er leider verletzt, siehe oben.
Torsten Lieberknecht, der 15 Jahre als Spieler und Trainer an der Hamburger Straße verbrachte, trainiert den SV Darmstadt mittlerweile recht erfolgreich. Wie wird er von der Fanseite aus gesehen? Bei uns war er immer unheimlich beliebt.
Was soll man sagen? Ihr kennt ihn ja selbst. Für mich ist er ein Menschenfänger. Er wirkt authentisch, geerdet, agiert auf Augenhöhe mit einem. So war er zumindest, als ich ihn fürs Stadionmagazin interviewen durfte. Aus einer Stunde wurden damals zwei. Er passt perfekt zum Klub und Umfeld. Lässt sich total auf Darmstadt ein und sieht den Klub – im Gegensatz zu seinem Vorgänger Markus Anfang – nicht als Zwischenstation. Er genießt ein hohes Ansehen bei den Fans. Da geht es uns wie euch.
Euer Toptorjäger Phillip Tietz spielte in der Vergangenheit ebenfalls für die Löwen. Was traust du ihm in dieser Saison und seiner weiteren Entwicklung noch zu?
Seit er hier ist, ist er gesetzt. Auch er scheint sich total wohl zu fühlen, nicht nur, weil er hier endlich mit seinem Buddy Marvin Mehlem zusammenspielen darf. Das strahlt auf seine Leistungen ab. Er bringt seine Körperlichkeit und Robustheit ein. Läuft und ackert viel, ist auch ballgewandt und Zielspieler. Seine Treffsicherheit ist ihm seit längerem abhanden gekommen, aber das wird wieder.
Mit Braydon Manu (U23/U19) und Yassin Ben Balla sind weitere ExLöwen bei euch unter Vertrag. Welche Rolle spielen die beiden bei euch?
Manu hat einen langen Anlauf mit zwischenzeitlicher Leihe gebraucht. Seit Lieberknecht hier ist, wurde er immer wichtiger. Letzte Saison als Flügelflitzer. Dieses Jahr als zentraler Irrwisch um Tietz herum. Wir bezeichnen ihn im Podcast ab und zu als „freies Radikal“, da er so unorthodox spielt. Er kommt jedenfalls gut bei den Fans an. Ben Balla ist ein klassischer Ergänzungsspieler. Aber auch als solcher ist er ein fester Bestandteil des Teams. Er scheint sofort gut aufgenommen worden zu sein.

Was verbindest du mit Eintracht Braunschweig?
Natürlich Traditionsverein, einmaliger Deutscher Meister. Ex-Klub von Lieberknecht und unter den drei Großklubs in eurer Ecke der Klub, den ich okay finde. Ansonsten erinnere ich mich noch an ein Last-Minute-Tor von Jan Rosenthal an einem Freitagabend am Bölle gegen euch. Der Treffer ließ plötzlich den Erstligaaufstieg nicht ganz absurd erscheinen. Zudem muss ich an einen aberwitzigen Last-Minute-Ausgleich gegen uns bei euch denken, als wir eine Phase hatten, als gar nichts klappen wollte. Unser Ersatzkeeper ließ einen einfachen Ball fallen und schenkte euch so das Remis. Da war klar, dass wir den Blick definitiv nach unten würden richten müssen.
Was erwartest du vom Spiel?
Ein schwieriges Spiel, wie auch sonst in Liga 2? Ihr habt euch gefangen, seid in der Liga angekommen und habt zuletzt Heidenheim besiegt. Das ist uns beispielsweise am Bölle nicht gelungen. Nach dem Pokalspiel in Frankfurt bin ich geneigt zu sagen, wir könnten hüben wie drüben ein paar Tore sehen. Es dürfte jedenfalls spannend werden.
Was ist dein Tipp?
Bei uns im „Hoch und weit“-Podcast habe ich unter der Woche 3:2 für uns getippt.
Nochmal vielen Dank fürs Mitmachen!
Bis dahin
Euer Kivi
Gefällt mir alles sehr gut;)
Schönen Montag
Alessio