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Das Spiel der Ketten – Hat sich Schiele am Samstag vercoacht?

7 min read
Viererkette vs. Fünferkette. Welches System liegt der Eintracht aktuell besser?

Moin Löwen!

Nach der Heimniederlage gegen den 1. FC Magdeburg war ich mir ziemlich sicher, dass Michael Schiele sich vercoacht hat. Zu gut waren die Ergebnisse mit der Viererkette in den vergangenen Spielen, zu schlecht die Partien mit der Dreier- bzw. Fünferkette. Der Wechsel im Derby schien nicht nur angemessen, sondern auch erfolgreich zu sein.

Doch ich wäre kein Fan von Daten, wenn sie nicht auch meine persönliche Wahrnehmung auf den Prüfstand stellen würden. Meine Eindrücke sagen mir: Mit der Viererkette ist die Eintracht mit und ohne Ball deutlich besser als mit der Dreier- bzw. Fünferkette. Um diese These zu testen, schauen wir uns einige Daten und Faktoren genauer an.

Los geht`s!

Eintracht setzt spät in der Saison auf die Viererkette

Michael Schiele hat sich erst relativ spät in der Saison für eine Viererkette entschieden. Im Derby veränderte er das System auf ein 4-2-3-1 und spielte dabei gegen den Ball im 4-4-2. Situativ änderte er seitdem das System mit dem Ball (z.B. gegen Kaiserslautern ein 3-4-2-1), aber gegen den Ball behielt er das 4-4-2, außer in der 2. Halbzeit gegen den Karlsruher SC, bei. Im Spiel gegen Magdeburg stellte Schiele seine Mannschaft erneut auf die Fünferkette um, bis er dann schließlich in der 60. Minute auf die Viererkette zurückwechselte. Blöd für die Eintracht, dass direkt nach dem Wechsel auf die Viererkette das 0:2 fiel.

Ich habe die Probleme des 5-3-2 -Systems von Schiele bereits des Öfteren angesprochen. Besonders im Spiel gegen den Ball sah es oft so aus, dass die Mannschaft im Mittelfeld- und Abwehrpressing nicht sonderlich effektiv war und dass der Gegner die Abwehrketten zu leicht überspielen konnte. An der Strafraumkante traten die größten Probleme auf. Die Nachteile des 5-3-2 -Systems gegen den Ball waren zwischenzeitlich deutlich sichtbar, weil das Dreiermittelfeld die fehlende Breite in der Kette nicht ausreichend kompensieren konnte. Anders als beim 4-4-2 ist die Breite im Mittelfeld kaum gegeben und die Mittelfeldspieler müssen lange Strecken überbrücken. Ein guter Kontrahent kann das passive Spiel oder Stellungsfehler leicht ausnutzen.

Gegen den Ball in der zweiten Halbzeit in Karlsruhe: ein 5-3-2 (Screenshot Viaplay).

Pünktlich zum Derby stellte Michael Schiele dann um. Einen klaren Vorteil brachte die Viererkette direkt mit sich. In der Theorie kann die Eintracht mit einem 4-4-2 gegen den Ball gut verschieben sowie effektiv pressen, da das System dem mannorientierten Anlaufen der Eintracht-Spieler entgegenkommt. Durch die zwei offensiven Spieler gegen den Ball bleibt die Mannschaft bei Kontern gefährlich und kann Umschaltsituationen gut ausnutzen. Laut Global Soccer Network kann die Eintracht mit einer Viererkette die „Außenbahnen defensiv besser absichern“. Mit der Doppelsechs „könnten in dem System zwei aggressive Abräumer im Mittelfeld auflaufen, um dem dann als klassischen Spielgestalter positionierten Immanuel Pherai den Rücken freizuhalten.“

Aber warum lässt Schiele mit einer Fünferkette agieren? Wie ich schon analysiert habe, wollte er wohl nicht, dass die Löwen hinten reingedrängt werden, da die Eintracht in der 2. Liga spielerisch als schwach einzustufen ist. Man wollte gegen spielstarke Mannschaften vermeiden, dass aus einem 4-4-2 ein 6-2-2 gegen den Ball wird, weil man sonst in der letzten Linie schnell in Unterzahl geraten würde.

Da die Eintracht diese Probleme besonders gegen spielstarke Mannschaften haben könnte und auch hatte, stellte Schiele auch gegen Karlsruhe in der zweiten Halbzeit auf eine Fünferkette um und setzte deshalb auch gegen eine spielstarke Mannschaft wie gegen Magdeburg auf eine Fünferkette – mit einem Unterschied: Man setzte auf die Doppelsechs und ließ drei Spieler weiter vorne anlaufen. Daraus ergab sich ein 5-2-3 gegen den Ball.

Schiele wollte damit vermutlich die Vorteile der Verteidiger nutzen, die bei der Eintracht sehr oft aus der Fünferkette herausrücken und den Gegner direkt anlaufen, um die fehlende Breite im Mittelfeld (statt drei nur noch zwei Akteure) zu kompensieren. Zur Erinnerung: Wenn ein Spieler aus der Fünferreihe heraustritt, um den Gegner zu pressen, bleibt die Linie im Gleichgewicht und es entstehen keine großen Lücken. Zudem machte er mit drei Stürmern vorne das Zentrum im Aufbauspiel ziemlich dicht. So versuchte er, das wellenförmige Anlaufverhalten im Mittelfeld beizubehalten, um den Gegner im Aufbau zu stören und in die gute Pressingzone der Einträchtler zu locken.

Die 5-2-3 -Formation wurde im Anlaufen und je nach Pressingsignal gegen Magdeburg ständig verändert. Immer wieder liefen die Flügelverteidiger Maurice Multhaup und Niko Kijewski ihre Gegenspieler an, immer wieder verließen die Innenverteidiger ihre Position in der Fünferkette, um dem Gegner ins Mittelfeld zu folgen, und immer wieder stellte die Eintracht das Zentrum im Mittelfeld zu, damit Magdeburg nicht befreit aufspielen konnte. Daraus resultierten verschiedene Pressingformationen. Eintrachts Plan ging eigentlich fast auf. Die Magdeburger Tore fielen nach einer Umschaltsituation und einem Aufbaufehler. Aus dem Spiel heraus konnten die Nachbarn aus Sachsen-Anhalt vor allem in der ersten Halbzeit nicht gefährlich werden.

Im Grunde kann man sagen, dass Schiele seinen Fehler im Pressing mit dem 5-3-2-System erkannte und auch merkte, dass es mit der Viererkette etwas besser lief. Er wollte am Samstagabend die spielstarken Magdeburger nicht ins Spiel kommen lassen und setzte auf die Fünferkette. Gleichzeitig wollte er aber auch die Vorteile der Doppelsechs im Mittelfeld haben und das wellenartige Anlaufen der Braunschweiger beibehalten und im Pressing flexibel sein. Dies gelang teilweise gut.

Doch was sagen die Daten? Hätte Schiele trotz der spielstarken Magdeburger auf eine Viererkette setzen sollen? Dazu kommen wir jetzt.

Schwankende Leistungen

Betrachten wir unten die Grafik. Es sind zwei Linien zu sehen. Die weiße Linie repräsentiert die Qualität der Schüsse des Gegners pro Schuss, gemittelt über fünf Spiele. Es wird deutlich, dass die Eintracht zu Beginn der Saison Probleme in der Defensive hatte, diese dann aber z.B. mit der Verpflichtung von Filip Benković lösen konnte. Kurz vor und nach der Winterpause nahm die Qualität der gegnerischen Chancen wieder zu. Eintrachts defensive Schlüsselspieler wurden von Verletzungen geplagt. Die Leistungsträger sind nun aber wieder zurück und die Eintracht-Abwehr wirkt gefestigter.

Die Schussqualität der einzelnen Schüsse im 5er Durchschnitt (Quelle: Wyscout)

Die gelbe Linie dagegen in der Grafik erzählt die Geschichte der Eintracht-Offensive. Hier wird ersichtlich, dass die Eintracht in der Offensive die ganze Saison über nicht besonders gut war und die Zahlen zuletzt auch wieder rückläufig waren. Klar, wir hatten mit dem Karlsruher SC und St. Pauli auswärts starke Gegner und einen für uns idealen Spielverlauf, was die sinkende Leistungskurve ein wenig erklären kann. Dennoch sieht man, wie abhängig die Eintracht von ihrer Defensive ist. Nach wie vor gilt die Devise: Hinten zu Null und vorne hilft uns der liebe Gott.

Die Daten-Scouting-Firma Global Soccer Network bestätigte auf meine Anfrage, dass die Eintracht mit der Viererkette in dieser Saison leicht besser war. Sie selbst bevorzugen aufgrund der Charakteristika und der DNA der Mannschaft eine 4-2-3-1-Formation. Aber ich gebe es zu, für mich war es eine Enttäuschung zu hören, dass die Performance in dieser Saison mit der Viererkette (Performance-Score: 52,12) nur geringfügig besser war als mit der Fünferkette (P-Score: 51,36). Der Unterschied auf Saisonebene zwischen Vierer- und Fünferkette ist also geringer, als man auf den ersten Blick vermuten könnte und als ich es mir persönlich vorgestellt habe. Immerhin, mit 3/5-Kette kassierte man im Schnitt 1.82 Gegentore, mit 4er-Kette nur 1.00 Gegentore.

Es ist jedoch zu beachten, dass die Stichprobengröße bei der Viererkette noch gering ist. Gut möglich, dass die Eigenschaften der Spieler in der Zukunft noch mehr Früchte tragen werden. Es ist aber genauso gut möglich, dass dies nicht der Fall sein wird. Vorausgesetzt natürlich, Schiele setzt die Viererkette nochmal ein.

Mein Fazit: Typen statt Ketten

Die aktuelle Situation und Analyse deutet darauf hin, dass die Leistung etwas besser ist, wenn die Eintracht mit einer Viererkette aufläuft. Dennoch war es auch kein besonders großer Nachteil, dass Schiele gegen Magdeburg wieder auf die Dreierkette setzte. Die Antwort auf die Niederlage vom Wochenende, vercoacht ja oder nein, lautet entgegen meiner ersten Vermutung: nein.

Ehrlicherweise muss man aber auch sagen, dass die Eintracht laut GSN immer noch den zweitschwächsten Kader der Liga hat, von den Spielereigenschaften her. Gut möglich, dass die Mannschaft wieder unnötig verunsichert wurde. Das Spielermaterial lässt jedenfalls keine großen taktischen Experimente zu. Die Breite der „ersten Reihe“ im Kader ist gering und so ist es wichtig, dass die Schlüsselspieler auch fit sind und bleiben. Das wird am Ende wichtiger sein als das System, in dem Eintracht aufläuft.

Dennoch muss ich sagen, dass die Daten darauf hindeuten, dass die Wahrscheinlichkeit auf den Klassenerhalt mit einer Viererkette minimal größer ist. Grund genug, am Freitagabend gegen Paderborn mit einer Viererkette zu spielen? Wir werden es sehen.


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1 thought on “Das Spiel der Ketten – Hat sich Schiele am Samstag vercoacht?

  1. Vielen Dank für Deine umfassende Analyse Jussi!
    Dann vertrauen wir für die verbleibenden Spiele mal auf unsere Handvoll Schlüsselspieler und dass sie uns den Klassenerhalt retten.

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