Vier Formate für Eintracht – eine Adresse für Fans.

Fehlende Eintracht-DNA? Wo es aktuell hakt.

9 min read

Moin Löwen!

Zunächst das Offensichtliche: Die Fakten.

0 Tore. 9 Gegentore. 0 Punkte.

Das ist die bittere Bilanz der Schiele-Löwen nach den ersten vier Spielen in der 2. Bundesliga. Auch wenn bestimmt alle im Umfeld wussten, dass punkten in den ersten Partien schwer werden dürfte, ist die Bilanz am Ende mehr als ernüchternd. Die Stimmung droht langsam aber sicher zu kippen und die ersten Diskussionen um die verantwortlichen Köpfe liegen in der Luft.

Doch woran hakt es aktuell wirklich bei der Mannschaft? Was kann oder muss man trotz der miesen Ergebnisse akzeptieren und was ist unbedingt verbesserungsbedürftig?

In dieser Analyse konzentriere ich mich auf die Eintracht-DNA. Aber, was ist das überhaupt und warum ist sie so wichtig für diese Mannschaft?

Wir haben die DNA vor einiger Zeit schon als Analysetool vorgestellt und benutzt. Es handelt sich um ein Werkzeug, das man benutzen kann, um die Spielweise und Ausrichtung unserer Eintracht einzuordnen. In dieser Saison haben sich hier einige Nuancen geändert. Im Kern ist die DNA aber gleichgeblieben und besteht aus den für uns Fans wichtigen Elementen: Teamarbeit, Kampf, Raubtierverhalten und Zauber.

Die Teamarbeit hat ihren Ursprung im typischen Arbeiter-Fußball. Wenn es schon nicht richtig rund läuft, dann wollen wir, dass die Mannschaft „wenigstens arbeitet“. Am Ende des Spiels sollen unsere Mannen alles gegeben haben: Beim Laufen bis die Lunge glüht sowie beim Spiel mit oder gegen den Ball – malochen ist angesagt! Dann haben wir das Element Kampf. Wir Fans erwarten ein körperbetontes Spiel, intensive Zweikämpfe und volle Aufopferung für das Team. Gern garniert mit dem ein oder anderen taktischen Foul oder einem „einfühlsamen“ Tackling gegen den gegnerischen Starspieler. Ein weiteres Element des Arbeiter-Fußballs ist das Element Raubtierverhalten. Der Ball soll schnell und ohne Schnörkel Richtung Tor gespielt werden. Balleroberungen und Umschaltmomente nehmen bei den Spielzügen eine entscheidende Rolle ein. Und schließlich haben wir noch ein „bürgerliches“ Element, das Schönspielen: Zauber oder auch „Fußball für das Auge“. Wir wollen bei unserer Eintracht zumindest ein bisschen Spielfreude sehen, schöne Pässe oder großartige Kombinationen beobachten.

Neben diesen vier leistungsbezogenen Elemente möchte ich diese Saison noch ein fünftes Element hinzuziehen, das allerdings nicht in die finale Leistungsanalyse einfließen wird. Hierbei handelt sich um Eigenschaften, genauer gesagt um die Löwen-Eigenschaften. Oft werden im Sport Leistung und Eigenschaften miteinander verwechselt. In der Psychologie werden Fähigkeiten oft als Persönlichkeitseigenschaften eingestuft, die Leistung ermöglichen. Leistungen sind demnach Ergebnisse von Handlungen, die nach einem Gütemaßstab bewertbar sind. Das Ergebnis ist gut/richtig oder schlecht/falsch.

Die Löwen-Eigenschaften ist das fünfte Element in der Eintracht-DNA.

Top-Scoutingfirmen wie Global Soccer Network können Eigenschaften von Leistungen trennen und Spieler nach deren Fähigkeiten und Handlungen beurteilen. Fußballspezifische Eigenschaften werden von GSN in vier Hauptkategorien aufgeteilt: technisch, taktisch, physisch und mental. Technische Eigenschaften sind z.B. der erste Kontakt am Ball und das Kopfballspiel. Taktische Eigenschaften sind z.B. Antizipation oder defensives Positionsspiel. Physische Eigenschaften sind z.B. Beweglichkeit und Antrittsgeschwindigkeit. Mentale Eigenschaften sind z.B. Konstanz und Führungsqualitäten eines Spielers.

Du musst Fähigkeiten und Performance voneinander trennen. Einfaches Beispiel. Ein Ferrari und ein Opel Corsa fahren beide 130 km/h. Das ist die Performance, die die Autos bringen. Schauen wir uns aber das an, was beide Autos mitbringen. Dann sehen wir, dass der Ferrari viel mehr auf Tempo ausgelegt ist als der Corsa. Sprich, er bringt die Eigenschaften mit, die es sehr viel einfacher machen, 150 km/h zu fahren als das beim Corsa der Fall ist. Und so ist das bei Spielern eben auch.

Global Soccer Network

Was die Einschätzung von Spielern erschwert, ist, dass er über einen langen Zeitraum seine Fähigkeiten übertreffen kann. Oft werden diese „Überleister“ dann fälschlicherweise als hochbegabt eingeschätzt. Tatsächlich erreichen sie ihre Erfolge allerdings nicht durch besonders gute fußballspezifische Eigenschaften, sondern z.B. durch außergewöhnliche Kreativität, praktische Intelligenz, emotionale Intelligenz oder durch Fleiß. Auch umgekehrt geht es: Es gibt Spieler, die richtig viel fußballerische Qualität mitbringen, aber immer unterperformen.

Die Eintracht-DNA: Eigenschaften-Analyse

Nun kommen wir zur Analyse und fangen mit den Löwen-Eigenschaften an, die wir für unsere Auswertung mit den in der 2. Liga üblichen Eigenschaften abgleichen. Dafür benutzen wir die Daten von GSN um festzuhalten, ob die Spieler für die 2. Liga und die Spielweise von Eintracht geeignet sind. Hier möchte ich festhalten, dass unsere Eintracht als Mannschaft zwar eine gute Team-DNA besitzt (also gut zusammen passt), aber eine große Lücke bei den geforderten Eigenschaften für die 2. Bundesliga aufweist.

Gegen Holstein Kiel standen nur zwei Neuzugänge von Anfang an auf dem Platz: Pherai und Kaufmann. In der Startelf waren von elf Spielern drei bis sechs von ihren Eigenschaften her nicht zweitligatauglich, je nachdem, wie streng man die Daten auslegt. Dafür saßen einige Spieler, die genau diese 2. Liga-Eigenschaften besitzen, auf der Bank. Einen weiteren solchen Spieler hat man neulich sogar abgegeben.

Das liegt klar im Verantwortungsbereich sowohl des Trainers als auch des Geschäftsführers Sport. Natürlich können die fehlenden fußballspezifischen Eigenschaften zum Teil, wie oben beschrieben, kompensiert werden. Doch es gibt Situationen auf dem Platz, in denen man die fehlende Qualität bemerkt.

Teamarbeit-Analyse

Kommen wir zur Teamarbeit. Wie bereits angesprochen: die Team-DNA der Mannschaft ist intakt! Doch wirklich eingespielt wirkt die Mannschaft bis heute leider nicht.

Nehmen wir Immanuel Pherai als Beispiel: Er ist einer unserer aktivsten Spieler. Er trug mit Abstand die meisten Schlüsselpässe bei und versuchte sich oft im Dribbling. Allerdings hat er aktuell schon mehrmals die Startposition auf dem Feld wechseln müssen. Mal spielte er als Zehner, dann tauchte er gegen Darmstadt plötzlich als Achter im Mittelfeld auf. Gegen Kiel beackerte er mitunter die linke Außenbahn. Er scheint seine endgültige Position in der Schiele-Elf noch nicht gefunden zu haben.

Genauso geht es vielen Spielern in der aktuellen Saison. Obendrein wechselte Schiele oft die Grundformation. Bisher waren es ein 3-4-1-2, ein 4-2-3-1 / (4-4-1-1) und ein 4-3-3. Die Doppelsechs mit Zehner aus der letzten Saison mit Krauße, Nikolaou und Henning im zentralen Mittelfeld spielen nicht mehr zusammen. Bryan Henning macht seine Rolle als Sechser gut, interpretiert diese aber als Segundo Volante sehr offensiv und mutig. Der Gegner kann diese Räume ausnutzen. In der Abwehr fehlt ein fitter Saulo Decarli, dazu gibt es im Tor durchaus Diskussionsbedarf.

Kiel spielte mit einer Doppelsechs, bei uns war dieser Raum bespielbar. Pherai spielte als Linksaußen.

Durch taktische Wechsel oder gezwungenermaßen haben schon folgende Startelfveränderungen stattgefunden.

  • TW: Jasi / Hoffmann (1)
  • IV: Decarli / Strompf / Schultz (2)
  • RV/RAV: Marx / Wiebe (1)
  • ZDM / ZM: Krauße / Henning / Pherai (2)
  • ZOM: Pherai / Lauberbach (1)
  • LA: Endo / Pherai (1)
  • MS: Ihorst / Lauberbach / Kaufmann (2)

Nur die Position von Kijewski als Linker Verteidiger / Außenverteidiger war stabil, wobei es auch hier eine Umstellung gibt, wenn statt einer Vierer- mit einer Dreierkette gespielt wird. Mit einer Viererkette in der Defensive spielte Kaufmann bisher immer als RA, wobei er im Dreierketten-System als zweiter Stürmer agierte. Außerdem spielte Behrendt immer als IV und Nikolaou auf der Sechs. Durch die vielen Umstellungen spielte aber de facto kein einziger Spieler immer exakt auf der gleichen Startelf-Position oder in der gleichen Rolle. Im Fall von Behrendt spielte er in der Dreierkette als äußerer Innenverteidiger / Halbraumverteidiger und Nikolaou musste die Sechserposition entweder als Partner auf der Doppelsechs teilen oder alleine in dem 4-3-3-System mit zwei Achtern neben sich beackern. Deswegen wundert es mich auch nicht, dass es bei der Teamarbeit-Leistung hapert.

Doch unsere DNA-Statistiken zeigen, dass bei der Teamarbeit trotz der ernüchternden Ergebnisse nicht alles schief läuft. Im Spielaufbau können sich unsere Pässe sehen lassen. Die Mannschaft läuft viel und das gesamte Team arbeitet fleißig gegen und mit dem Ball. Eintracht hat z. B. die viertbeste Langpassquote der Liga und ist jeweils bei den progressiven Pässen und Läufen in der Ligastatistik auf Rang sechs – besitzt damit durchaus Zug nach vorne. Unsere Jungs sprinten viel und können einige intensive Läufe vorweisen.

Was sich noch verbessern muss ist die Arbeit gegen den Ball. Hier kommt es oft zu einfachen Fehlern, ohne an dieser Stelle jemanden herausgreifen zu wollen. Der Gegner kommt dadurch zu oft in einer zentralen und nahen Position zum Abschluss und hat damit bei den Chancen ein Qualitätsvorteil. Diese Fehler müssen abgestellt werden. Eine feste Formation und eine klare Kommunikation können hier helfen.

Kampf-Analyse

Ich möchte den Finger an dieser Stelle gern noch in eine weitere Wunde legen: Die Vorbereitung auf die Saison. Mit Union Berlin gab es nur einen einzigen Testspielgegner, der 2. Ligaqualität oder darüber hinaus mitbrachte. Man ist also mit nur einem echten Härtetest in die Saison gestartet.

Leider zeigt sich nun in den ersten Punktspielen, dass es an Härte und Qualität bei den kämpferischen Elementen fehlt. Wir verlieren sehr viele Zweikämpfe und Duelle. Bisher gewannen die gegnerischen Teams im Schnitt 50 % der Duelle und Eintracht nur rund 45 %. Hier gilt es als erstes die guten Zweikampfquoten der Gegner zu drücken. Dies gelang gegen Kiel schon ganz gut. Besonders bei den Luftzweikämpfen hat unsere Eintracht noch großes Verbesserungspotenzial. Derzeit gewinnen wir gerade einmal 33 % der Duelle. Der Gegner im Schnitt 57 %.

Einen kritischen Blick in den Spiegel sollte Michael Schiele sich auch erlauben, wenn es um den Challenge Intensity-Wert geht („Duels, tackles and interceptions per minute of opponent possession“), also wie viele Duelle, Tacklings oder abgefangene Bälle es pro Minute des gegnerischen Ballbesitz gibt. Dieser Wert ist mit 5,2 sehr niedrig (16.). Soll heißen: die Eintracht lässt dem Gegner viel ungestörte Zeit am Ball. Dazu kommt, dass das erfolgreiche Angriffspressing aus der vergangenen Saison fast eingestellt wurde. Das „Abwarten“ hat zwar sicher taktische Gründe, doch ich denke etwas mehr Galligkeit und Mut könnte man hier von der Schiele-Elf durchaus erwarten. Gegen Kiel ging es auch hier in die richtige Richtung.

Raubtier-DNA-Analyse

Nun zum herausfordernden Teil der Analyse. Wie effizient und effektiv sind die Löwen im Angriffsverhalten? Nun, rein an Toren gemessen wissen wir ziemlich genau wo wir stehen. Doch so einfach ist das nicht. Sehen wir uns z.B. die erwarteten Tore-Werte aus den vier torlosen Partien an.

xG /xGOT -Werte von Wyscout und Fotmob

Erwartete Tore (xG) und erwartete Tore aufs Tor (xGOT) können etwas verwirrend sein. Hier in der Tabelle sehen wir die Werte von zwei unterschiedlichen Anbietern. Bei beiden sieht man die gleiche Tendenz. Eintracht kommt relativ gut zum Abschluss, doch der Schuss kommt nicht gut genug aufs Tor. Der Gegner macht es hier etwas besser, doch auch Pech kommt noch dazu.

Die gefährliche Torzone in der Liga liegt ziemlich Zentral und nah am Tor. In diesen Raum muss die Eintracht besser rein kommen. (InStat)

Das hat vor allem zwei Gründe: 1. Eintracht schießt sehr oft (3.), doch nur 26 % der Schüsse kommen auch wirklich aufs Tor (17.). Das liegt insbesondere an den schlechten Schusspositionen. Oft ist der Winkel zu spitz, die Schussdistanz zu groß oder es steht noch ein Gegner im Weg, der den Angreifer stört. 2. Eintracht lässt den Gegner sehr zentral zum Schuss kommen, was ihr selbst im Gegenzug deutlich seltener gelingt. Daher hat Eintracht zwar im Gesamtwert der erwarteten Toren einen hohe Zahl, die eigentliche Qualität der Chancen ist beim Gegner aber de facto besser. Unsere Löwen kommen gut ins letzte Drittel und auch in den Strafraum, doch das gegnerische Team schafft es immer wieder, unsere Angriffe in ungefährliche Positionen zu lenken.

Die Zauber-DNA-Analyse

Zum Schluss schauen wir uns noch die Zauber-DNA an. Eintracht hat, zu meiner eigenen Überraschung, die sechsthäufigsten Schlüsselpässe in der Liga pro 90 Minuten. Dazu spielen wir relativ gute intelligente Pässe und Schnittstellenpässe. Hier kann man aber noch an der Präzision arbeiten. Von den 7,8 Schnittstellenpässen / 90 Min. (3.) finden nur 30 % den Mitspieler (11.).

Was uns neben den nicht vorhandenen Toren fehlt sind defensive Rettungstaten. Beide Torhüter sind hier etwas im Minus, wobei Hoffmann leicht besser wegkommt als Jasi. Es handelt sich hierbei zwar nicht direkt um Fehler, aber dennoch weisen die Daten hier auf ein Manko in unserer Defensive hin.

Fazit

Ich hoffe, dass die DNA-Analyse euch ein wenig Spaß bereitet hat und Aufschluss darüber gegeben hat, wo die Eintracht aktuell in der Liga steht, wenn man die reine Tabellenposition außen vor lässt. Besonders im kämpferischen Bereich und in der Effizient sowie Effektivität müssen die Schiele-Löwen noch zulegen. Eine Startelf mit klaren Grundpositionen sollte der Mannschaft Stabilität verleihen. Einige taktische Ansätze sollten aus meiner Sicht noch verfeinert, andere nochmal überdacht werden. Besonders im letzten Drittel müssen die Spieler künftig bessere Entscheidungen treffen.

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