Taktikpad: Angriffsabschluss. Das Spiel der Eintracht im letzten Drittel
6 min readHallo Löwen,
es ist Zeit, unsere Taktikpad-Serie fortzusetzen. Heute nehmen wir das Angriffsspiel der Eintracht unter die Lupe. Unser spezieller Fokus hier liegt im Abschluss und wie die Eintracht in die entsprechenden Positionen kommen möchte. Wir erinnern uns: Grundsätzlich muss man in der Aufbauphase drei verschiedene Abschnitte unterscheiden: Spielaufbau, Spielfortsetzung und Angriffsabschluss/Spiel im letzten Drittel.

Wir erinnern uns auch: Eintracht kommt weitgehend über Tempo zu Chancen. Es gilt, Dynamik zu kreieren, um dadurch einen Vorteil für sich zu schaffen. Dreiviertel der Eintracht-Torabschlüsse erfolgen in höchstens 10 Sekunden nach einem Ballgewinn. Dies ist aktuell der Schlüssel zum Spiel und jede Angriffsstatistik sollte man vor diesem Hintergrund betrachten. Anders ausgedrückt: Offensivaktionen, die mit einem Schuss enden, werden bei der Eintracht fast immer mit Tempo gespielt. Bei Eintracht bleibt kaum Zeit für Extra-Kreativität: Das Spiel soll direkt und schnell sein. Gelegentlich sollen z.B. auch Überzahlsituationen forciert bzw. erspielt und ausgenutzt werden. Bei sich ergebenden Möglichkeiten soll dann auch die individuelle Überlegenheit besser eingesetzt werden.
Schlechte xG-Werte!
Eintracht kommt im Vergleich zu den anderen Teams in der Liga nicht sehr häufig zum Abschluss. Mit 11,41 Schüssen pro Spiel bei einem Ligadurchschnitt von 11,72 befindet man sich im unteren Mittelfeld. Auch die Qualität der Schüsse lässt etwas zu wünschen übrig. Eintracht hat den sechst-schlechtesten xG-Wert pro Schuss: 0,105 xG.

Das heißt auf gut Deutsch, dass die Schüsse aus einer unvorteilhaften Position abgegeben werden, was ihre Torwahrscheinlichkeit mindert. Immerhin liegen unsere Löwen bei den Schüssen aufs Tor etwas über dem Ligadurchschnitt: 37,9 % gehen direkt aufs gegnerische Gehäuse, bei einem Ligadurchschnitt von 36,4 %. Hier ist außerdem anzumerken, dass Eintracht im Schnitt ca. zwei Schüsse mehr pro Spiel abgibt als der jeweilige Gegner.

Statistische Auswertung
Eintracht hat im Schnitt 13,71 Ballkontakte pro Spiel im gegnerischen Strafraum (Gegner: 13) und verzeichnet ca. 22 Eintritte in den gegnerischen Sechzehner (Gegner: 18,6). Gerade bei diesen Eintritten gibt es noch Verbesserungspotenzial, damit vielversprechende Aktionen auch mit einem Torschuss enden. Das spiegelt auch die Schlüsselpassstatistik wider, bei denen Eintracht im unteren Bereich der Liga rangiert. Es gibt zwar viele Versuche, doch nur wenig Ertrag. Insgesamt hat der BTSV im Vergleich zur Ligaspitze einfach zu wenig Ballkontakte im gegnerischen Strafraum. Auffällig ist jedoch, dass unsere Jungs in den eigenen Spielen hier statistisch besser als der jeweilige Gegner abschneiden. Sie schaffen es vergleichsweise gut, den Gegner vom eigenen Strafraum fernzuhalten: Die 13 gegnerischen Ballkontakte im eigenen Sechzehner liegen deutlich unter dem Ligadurchschnitt von 16,89.

Eintracht ist keine besonders flankenfreudige Mannschaft, aber kann auch nicht “flankenfaul” bezeichnet werden. Bei einem Ligadurchschnitt von 14,4 Flanken pro Spiel verzeichnet die Eintracht im Schnitt knapp eine Flanke weniger pro Spiel. Dafür ist die Genauigkeit bei den Löwen mit 35 % etwas besser als der Ligadurchschnitt (34,04 %). Pro Spiel kommen im Schnitt 4,57 Flanken im Strafraum an – etwa eine mehr als beim Gegner.

In 1 vs. 1-Situationen muss sich die Eintracht auch weiterhin steigern, was Trainer Michael Schiele bereits selbst gefordert hat. Nur knapp 21 Mal pro Spiel suchen die Löwen im Angriff das direkte Zweikampfduell. Bei einem Ligadurchschnittswert von fast 27 ist das zu wenig. Allerdings ist auch hier die Erfolgsquote erneut auf unserer Seite: mit 53,3 % liegt man über dem Ligadurchschnitt von 52,23 %. Überhaupt würde es helfen, wenn wir mehr offensive Zweikämpfe für uns entscheiden würden: Von ca. 70 Offensivduellen gewinnen wir durchschnittlich 37,5 % und der Gegner 41,3 %.

Es sind dynamische Situationen, die Eintracht erzwingen will. Oft wird der Gegner im Angriffsdrittel unter Druck gesetzt – oder die Mannschaft geht ins Gegenpressing über. So konnten schon etliche Tore erzielt werden. Ganz entscheidend ist hier, dass die Restverteidigung in der Regel stimmt, wenn es zu einem kritischen Ballverlust kommt. Bisher lösen unsere Löwen das sehr souverän. Später folgen dazu noch ein paar konkrete Beispiele.

Videonalyse: Starke Strafraumbesetzung!
In der letzten Saison hatte Eintracht im Angriff oft das Problem, dass die gefährlichen Zonen nicht besetzt waren. Man sah oft einen 2- oder 3+1-Modus, in dem ein Spieler den Ball passte und zwei bis drei Teammitglieder versuchten, den ankommenden Ball im Tor unterzubringen. Dabei orientierte sich ein Spieler am Strafraumrand, um zweite Bälle zu gewinnen. Oft positionierte dieser sich allerdings etwas zu weit weg vom Sechzehner. Die beiden Pfosten blieben unbesetzt, den Raum am Elfmeterpunkt ließ man ebenfalls frei und ermöglichte keine zweite Agriffswelle.
Dies hat sich in dieser Saison klar verändert! Fünf bis sieben Spieler schalten sich sehr aktiv in die Offensive ein. Die gefährlichen Räume werden nach einem Ballgewinn sehr schnell besetzt. Das 1:2 gegen Wehen Wiesbaden ist ein gutes Beispiel: Die Flanke von Martin Kobylanski erreichte Lion Lauberbach im Zentrum. Neben Lauberbach laufen zwei seiner Mitspieler auf den kurzen und langen Pfosten zu. Im TV-Bild ist im Hintergrund kurz zu sehen, wie der Strafraumrand von ein bis zwei Spielern besetzt wird, um auf einen möglichen zweiten Ball zu lauern.
Das 3:0-Tor gegen den TSV Havelse ist fast ein Musterbeispiel aus dem Lehrbuch. Nachdem Jomaine Consbruch auf den rechten Flügel geschickt wird und sich an der Strafraumecke im 1 vs. 1 durchsetzen kann, spielt er den perfekten Cut-Back-Pass zu Robin Krauße. Doch er hätte auch andere Optionen gehabt: Beide Pfosten sind besetzt, ebenso Zentrum plus Elfmeterpunkt – ganz im Sinne des 3+1-Modus. Dazu lauert im Hintergrund ein Teammitglied am Strafraumrand. Perfekte Strafraumbesetzung!

Das gelungene Positionsspiel der Braunschweiger im Angriff wird natürlich, wie angesprochen, von dynamischen Bewegen unterstützt. Dies geschieht zum Beispiel durch Positionswechsel, Pass- und Klatsch-Kombinationen und dem Hinter- bzw. Vorderlaufen. Man möchte den Gegner ins Pressing oder in Zweikämpfe locken, um dann die unorganisierte (vs. organisierte) Abwehr zu umspielen.
In unserem Paradebeispiel zum 3:0 in Havelse zieht Danilo Wiebe den gegnerischen Außenverteidiger auf sich und erschafft dadurch Platz für Consbruch. Der nun außenstehende Spieler in der Abwehrkette muss sich entscheiden: Soll er ins Pressing gehen oder sich nach hinten fallen lassen? Schließlich rückt er zurück und sichert die Tiefe ab – doch Consbruch kann die 1 vs. 1 -Situation für sich entscheiden. Es ist schön zu beobachten, wie schnell und zielorientiert sich die Braunschweiger in dieser Situation in Richtung gegnerisches Tor bewegen.

Andere Musterbeispiele
Nicht nur die Strafraumbesetzung funktioniert bei der Eintracht inzwischen gut. Ein Geheimnis ist auch das “Wandspielen” im höheren Mittelfeld – zum Beispiel mit Lauberbach, der oft mehrere Gegenspieler auf sich zieht und somit freien Raum für seine Mitspieler schafft. Diese Situationen konnte Eintracht schon das eine oder andere Mal für einen Steckpass nutzen, um schnell vor das gegnerische Tor zu gelangen.
Ein schönes Beispiel ist das 1:1 gegen den VfL Osnabrück. Lauberbach zieht zwei Gegenspieler auf sich. Der Abwehrspieler rückt aus der Viererkette raus. Es entsteht eine 3+1-Situation: Ein Fehler des Gegners, denn der vorgerückte Abwehrspieler reißt eine Lücke in die Kette. Er rückt zu weit vor und ist nur nicht mehr Teil der geordneten Linie. Ideal wäre hier eine sogenannte 3-1-Situation, wo der Abwehrspieler mit seinem Schatten den freien Raum deckt, während seine Mitspieler die Tiefe sichern und den freien Raum schließen. In der beschriebenen Situation kann Eintracht den Ball jedoch behaupten und mit einem Steckpass Multhaup im freien Raum erreichen, in den er gestartet ist. Das Resultat ist ein verdientes 1:1.

Das hohe Angriffspressing des BTSV bereitet Gegnern oft Probleme und zwingt deren Abwehr zu Fehlern. Ein gutes Beispiel ist das 1:1 gegen den 1.FC Saarbrücken. Henning setzt den Torwart unter Druck, der dann einen unsauberen Pass zu seinem Nebenmann spielt. Es entsteht eine 2 vs. 1 -Situation für die Eintracht im gegnerischen Strafraum. Das 1:1 ist die logische Folge. Auch das 1:0 gegen BVB II ist ein gutes Beispiel, in dem aggressives Anlaufen die Abwehr zu Fehlern zwingt.

Fazit
Eintracht beherrscht es sehr gut, den Gegner unter das eigene Niveau zu drücken. Unser Team kreiert zwar wenige Chancen und weist nicht immer die qualitativ hochwertigsten Schüsse auf, kann aber durch eine solide Abwehrleistung und dynamisches Bewegen, Zweikämpfe oder Pressing den Gegner zu Fehlern zwingen. Diese nutzen unsere Löwen dann sehr effizient! Die Strafraumbesetzung ist unter Michael Schiele deutlich risikoreicher als unter seinem Vorgänger Daniel Meyer und dadurch auch oft zurecht erfolgreich.
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