Vier Formate für Eintracht – eine Adresse für Fans.

Immer wieder Fabio Kaufmann

7 min read

Moin LöweInnen!

Warum immer Fabio Kaufmann? Diese Frage hat mich schon oft erreicht, als die Startelf von der Eintracht bekannt geworden ist. 34 Ligaspiele in der letzten Saison, schon 16 in dieser Saison. Es wären wohl 17, wäre er nicht gelbgesperrt gewesen. Schon unter Michael Schiele und Jens Härtel war Fabio Kaufmann ein Stammspieler. Dabei ist er von seinen Eigenschaften her eigentlich nur auf einem unteren Zweitliganiveau. Doch Kaufmann trotzt seinen Kritikern, den Daten und die Scouts. Und als Eintracht unter dem neuen Trainer Daniel Scherning in einem System spielt, der keine Außenstürmer braucht, taucht Fabio Kaufmann plötzlich im zentralen Mittelfeld als Achter auf und ist von den Leistungen her einer der besten, wenn nicht sogar der beste, Löwe auf dem Platz.

Warum immer Kaufmann? Auf diese Frage will ich jetzt Antworten finden.

Kaufmann beim Training. Bild: Kivi.

Grund 1. Einstellung

Er hadert sehr oft mit dem Schiedsrichter, besucht jede Woche seinen Stammfriseur (natürlich mit der obligatorischen Instagram-Story), um dann wieder am nächsten Spieltag in der Startelf aufzutauchen. Man hat das Gefühl, Kaufmann ist immer irgendwie präsent im Eintracht-Kosmos. Ein (Schau)spieler, der die Außendarstellung und das Drama der Eintracht braucht, um sich zu guten Leistungen zu pushen. In seinen Spieltagsaussagen ist er aber immer bereit, das Team zu motivieren und unter Schutz zu nehmen. Er und ein Drama-Verein wie Eintracht passen gut zusammen, weil es für beide nie langweilig wird.

Kaufmann beschwert sich oft beim Schiedsrichter. Screenshot Wyscout.

Ich denke, Kaufmann ist ein Spieler, den man als Trainer gerne von seiner Einstellung her in seinem Team hat, besonders wenn es gegen den Abstieg geht. Er gibt nie auf und versucht durch seine Art jede noch so kleine Prozentteile für die Mannschaft zu gewinnen. Beim Testspiel gegen Werder Bremen diskutiert er nach dem Halbzeitpausenpfiff lang und heftig mit dem Schiedsrichter, als seine Mannschaftskollegen schon längst in die Kabine verschwunden sind. Nicht mal ein kleiner Gegenwind in einem Testspiel ist ihm unwichtig. Er arbeitet viel auf dem Platz und neben dem Platz und kann durch seine Mentalität seine fußballerischen Defizite glattbügeln. Für mich ist er eigentlich der heimliche Kapitän der Mannschaft. Je enger es wird, desto besser scheint er aufzutreten.

Worüber man Kaufmann kritisieren kann, ist genau seine Stärke als Spiegelbild. Seine Art, mit dem Schiedsrichter zu hadern oder theatralisch Fußball zu spielen, hat zwar meistens das Interesse seiner Mannschaft im Auge, kann aber auch kontraproduktiv sein und egoistisch wirken. Schauspielerei ist sowieso im Männerfußball eine echte Plage und allgemein werden die Schiedsrichter im Fußballgeschäft immer wieder ungerecht behandelt. Und das in einem Spiel, das immer schneller wird und in dem ein Mensch es schwer hat, mitzukommen, um gute Entscheidungen zu treffen. Im schlimmsten Fall werden Schiedsrichter sogar bedroht, und auch Gewalt ist leider keine Seltenheit mehr. Mit seiner Theatralik agiert Kaufmann als schlechtes Vorbild, auch wenn er die Regeln befolgt. Generell würde ich mir mehr Respekt von den Spielern gegenüber den Schiedsrichtern wünschen, was auch für die sportliche Leitung der Eintracht und die Fans im Stadion und im Netz gilt.

Grund 2. Vielseitigkeit

Unter Scherning spielt Kaufmann meistens im zentralen Mittelfeld. In einem System von 3-1-4-2 wäre der nominelle Außenstürmer nicht gesetzt, doch Scherning hatte die Idee, Kaufmann als Achter im zentralen Mittelfeld spielen zu lassen. Eigentlich ist Kaufmann dafür bekannt, auch mal im Sturm oder sogar als Schienenspieler zu spielen, doch die Achterposition ist eine weitere neue Position für ihn.

Vielseitig zu sein hilft einem Trainer, für den Spieler eine passende Rolle im System zu finden. Doch auch von seinen Eigenschaften her hat Kaufmann Vorteile. Er hat sowohl für die Defensive als auch die Offensive passende Qualitäten und arbeitet fleißig mit und gegen den Ball. Dazu sind seine langen Einwürfe in der Offensive eine zusätzliche Waffe. Sollte die Eintracht taktisch wechseln müssen oder in Unterzahl geraten, kann er durch seine Vielseitigkeit auch andere Positionen übernehmen und Aufgaben übernehmen, ohne dass der Trainer ihn mit einem anderen Spieler tauschen muss. Kaufmann verkörpert somit sehr gut die polyvalente Eintracht-DNA, die die sportliche Führung sehen möchte.

Das Dreiermittelfeld eingekreist. Kaufmann positioniert sich zwischen den Verteidigern. Screenshot: Wyscout.

Kritisch betrachten muss man allerdings Kaufmanns fußballerische Eigenschaften in der Qualität. Laut Global Soccer Network (GSN) bringt Kaufmann Tempo und Beweglichkeit mit sich, gepaart mit ordentlichen Flanken und Dribblings. Allerdings hat er seine Defizite im Defensivverhalten, Positionsspiel und Übersicht. Alles Qualitäten, die ein zentraler Mittelfeldspieler braucht. Zudem ist er nicht kopfballstark und auch sein eigener Abschluss verbesserungswürdig. Warum er trotzdem aktuell gute Leistungen bringt, dazu komme ich später.

Grund 3. Taktik

Unter Daniel Scherning sind seine taktischen Rollen und Aufgaben klar definiert. Was bei den Braunschweigern aktuell sehr gut funktioniert, ist die gruppentaktische Dynamik im Dreiermittelfeld, wenn die Eintracht im Ballbesitz hat. Ein Spieler, meistens der Sechser Jannis Nikolaou oder Robin Krauße, kontrolliert das Spiel vor der Abwehrkette. Im Aufbau sieht es oft nach einem 3+1-Muster aus. Einer der beiden Achtern, oft eine Rolle, in der man Kaufmann findet, läuft schnell in die Tiefe und setzt die Abwehrkette unter Druck. Der zweite Achter, meistens Thórir Helgason, positioniert sich zwischen dem Sechser und dem nach vorne gerückten offensiveren Achter. Eintracht hat damit Zugriff auf zweite Bälle und sorgt für eine Mischung aus Kontrolle/Restverteidigung und Tiefengefahr.

Hinten ein 3+1, im Mittelfeld eine gute Staffelung zwischen den drei zentralen Mittelfeldspielern. Screenshot: Wyscout.

Kaufmann agiert somit oft wie ein situativer Zehner/Halbraumstürmer. Als der meist offensivere Achter sucht er die Räume um den gegnerischen Außenverteidiger und Innenverteidiger und greift also die gegnerische Linie somit in den sogenannten Lücken an. Im Spiel sieht es dann im Ballbesitz wie ein 3-2-4-1 aus, mit einer guten Staffelung und Restverteidigung. Der situative Zehner kombiniert auch gut mit dem Außenbahnspieler und den beiden Stürmern und kann mit ihnen an der Strafraumkante und auf dem Flügel für Gefahr sorgen.

Kombinationen auf dem Flügel sind auch in der jetzigen Rolle Kaufmanns keine Seltenheit. Screenshot: Wyscout.

Kritisch betrachtet, scheint die Taktik Kaufmanns Spielweise entgegenzukommen, doch als Mannschaft hat die Eintracht zu viele Ballverluste. Hier ist auch Fabio mitschuldig, denn seine Ballverluste sind wesentlich als zentraler Mittelfeldspieler 9,54 / 90 Min auf 12,72 gestiegen. Besonders besorgniserregend sind die gefährlichen Ballverluste: 0,31 / 90 Min. Ein wesentliches Problem im Löwen-Team ist auch die schlechte Passquote, wo Kaufmann zwar seine absolute Zahl der erfolgreichen Pässe steigern konnte, aber die Quote stark verbessern muss. Oder was würde ein Toni Kroos über eine 64-prozentige Passquote eines zentralen Mittelfeldspielers denken?

Grund 4. Aktionen

Laut GSN hat Kaufmann als Achter mehr Spielzeit als er davor als Stürmer/Außenstürmer agiert hat. Er hat mehr Beteiligung an den torgefährlichen Angriffen und wird mehr angespielt und kommt zentraler öfter zum Abschluss. Seine Rolle wird besonders als Fortsetzungsspieler deutlich: Er hat einen deutlich höheren Anteil an progressiven Aktionen, wie erfolgreiche progressive Pässe (3,89 -> 5,28) und Läufe (1,3 -> 1,86). Dazu überspielt er mehr Gegner als zuvor (27,63 -> 33,51) und spielt mehr Steilpässe.

GSN-Statistiken. Einige von Kaufmanns progressive Aktionen.

Auch in den Statistiken gegen den Ball merkt man seine neue Position. Er hat im zentralen Mittelfeld mehr erfolgreiche defensive Aktionen, mehr Balleroberungen und mehr gewonnene Zweikämpfe. Zum Spielstil Schernings gehört, dass die Mannschaft im Angriffspressing agiert und wenn sie überspielt wird, sich diese zurückzieht in die eigene Hälfte. Sie agiert auch weniger mannorientiert im Pressing. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Kaufmann im direkten Anlaufen etwas passiver spielt als vorher (6,6 -> 4,34). Dafür ist er im Gegenpressing aktiver und erfolgreicher (2,36 -> 3,72).

Die offensiven Aktionen von Kaufmann sind natürlich in der Anzahl gesunken, weil er sich in der neuen Rolle nicht mehr so frei bewegen kann wie zuvor. Er dribbelt weniger (3,3 -> 2,48), hat weniger Ballkontakte im gegnerischen Strafraum und sprintet weniger. Eine ganz neue und spannende Statistik von GSN zeigt auch, dass Kaufmann durch Bewegungen auf dem Platz weniger gute Räume für seine Mitspieler schafft (57,53 -> 48,83). Dem Fußballstil von Scherning ist wohl auch zu verdanken, dass Kaufmann jetzt weniger direkt spielt als noch unter Härtel.

Einige GSN-Stats von Kaufmann im Überblick.

Interessanterweise ist im Durchschnitt die Qualität seiner defensiven Aktionen leicht schlechter geworden als unter Härtel. Die Abweichung ist jedoch sehr klein und hat eventuell keine statistische Relevanz. Andererseits muss er mehr in der Defensive arbeiten als zuvor, was nicht seinen Grundeigenschaften entspricht. Zum Beispiel haben die Dribblings gegen ihn zugenommen, aber seine Erfolgsquote ist nur leicht gestiegen, was bedeutet, dass er diese „Dribbling-Duelle“ öfter verliert.

Grund 5. Formstärke

Schaut man sich die aktuellen Leistungen von Kaufmann auf seiner neuen Position an, dann fällt auf, dass er aktuell sehr gut performt. Allein seine Aktionen in der Offensive und im Passspiel sind sehr effizient. Das Endergebnis sind gefährliche Schüsse und Tore. Aktuell geht jeder dritte Schuss ins Tor (trotz seiner Abschlussschwäche). Formstärke hat allerdings den Nachteil, dass sie irgendwann auch nachlässt. Zum Beispiel deutet sein aktueller Torwert von 0,93 Toren pro 90 Minuten, wenn nur 0,11 Tore zu erwarten waren, auf eine starke Leistung hin, die nicht immer so weiter gehen wird. Für die Eintracht wäre es natürlich hilfreich, dass sie möglichst lange anhält.

Fazit


Ich habe fünf Gründe gefunden, warum Fabio Kaufmann immer noch bei der Eintracht als Spieler sehr gefragt ist. Er ist nicht fehlerfrei, aber erfüllt mit seiner Art, Fußball zu spielen, einen Grundteil der Eintracht-DNA. Leider ist zu erwarten, dass er seine überragende Form nicht über einen längeren Zeitraum behalten kann, aber man kann doch hoffen, dass dies möglichst lange anhält.

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