Taktikanalyse: Braunschweig macht es dem BVB lange schwer
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Ein Beitrag von Jonas Schaar
Die Rollen vor dem Spiel waren klar verteilt. Die Braunschweiger gingen als klarer Underdog in die Partie und wurden dieser Rolle gerecht. Braunschweig konzentrierte sich darauf, kompakt zu verteidigen und den Gästen aus Dortmund wenig Räume zu öffnen. Der BVB entschied das Spiel mit 2:0 für sich, tat sich aber über das ganze Spiel sehr schwer gegen eine disziplinierte Braunschweiger Mannschaft.

Trainer Daniel Meyer stellte seine Mannschaft erneut um. Zuletzt liefen die Löwen in einem 4-2-3-1 in der Liga auf, gegen den BVB formierte sich sein Team in einem 5-2-3. Im Spielaufbau gab es verschiedene Varianten, wo die Löwen von dem 5-2-3 abwichen. Personell veränderte sich die Startelf auf fünf Positionen. Proschwitz, Otto, Schwenk, Kroos und Ziegele nahmen zunächst auf der Bank Platz. Für sie starteten Abdullahi, Kobylanski, Bär, Ben Balla und Schlüter. Nach der Einwechslung von Proschwitz und Kroos in der 80. Spielminute stellte Daniel Meyer dann wieder auf ein 4-2-3-1 um.
Auf der Gegenseite musste Edin Terzic auf Erling Haaland und Youssoufa Moukoko verzichten, dafür startete U23-Stürmer Steffen Tigges. Der 38-Jährige schickte sein Team in einem 4-3-3 auf das Feld, wobei sich Delaney deutlich hinter den anderen beiden zentralen Mittelfeldspielern positionierte.
Mutiger Spielaufbau gegen den amtierenden Vizemeister
Vs BVB | Vs Fürth | Vs Paderborn | Vs Osnabrück | |
Lange Pässe | 61 | 77 | 75 | 92 |
Angekommene lange Pässe | 28 | 22 | 35 | 30 |
Passquote lange Bälle (selber errechnet) | 46% | 29% | 47% | 33% |
Passquote allgemein | 75% | 56% | 66% | 67% |
Gegen den Ball agierten die Braunschweiger im 5-2-3. Im Spielaufbau veränderte sich diese Formation immer wieder. Allgemein lässt sich sagen, dass der Braunschweiger Spielaufbau in der Pokalpartie sehr variabel war und deutlich weniger lange Bälle enthielt.
Im Spielaufbau schob Kaufmann auf der rechten hoch, dafür orientierte sich Wiebe dann sehr breit und agierte im Spielaufbau teilweise als Rechtsverteidiger. Auf der anderen Seite schob Schlüter auch hoch, meist aber nicht so weit wie Kaufmann auf der rechten Seite. Mit seiner tiefen breiten Positionierung gab Wiebe in diesen Fällen immer eine Anspielstation. In solchen Situationen ließ sich Kammerbauer auch meist etwas weiter fallen als Ben Balla.
Allerdings orientierte sich Wiebe auch situativ beim Abstoß in den Sechserraum hinter den anlaufenden Stürmer der Dortmunder. Dieses Einrücken zog den Dortmunder Flügelspieler mit ins Zentrum, wodurch sich Platz zum Andribbeln für den tiefen Innenverteidiger bot. Dieser hatte dann entweder die Möglichkeit den Ball aus einer relativ freien Position lang zu spielen oder alternativ über das Zentrum über Wiebe aufzubauen.
Allgemein versuchten die Löwen das Spiel seltener über lange Bälle zu eröffnen und wenn wurden diese deutlich kontrollierter gespielt. Dies spiegelt sich auch in der Anzahl der langen Bälle über 30m und die Anzahl der angekommenen langen Pässe wider (siehe Tabelle).
Eine beliebte Variante hierbei war, dass die beiden Flügelspieler Bär und Kobylanski etwas einrückten und so das Spiel mit einem langen Ball in den Halbraum eröffnet wurde. Von dort konnte der Ball dann auf die hohen Flügelverteidiger weitergespielt werden, was aber nicht so oft glückte.
Gegenpressing
In der Pokalpartie gegen Borussia Dortmund spielte das Gegenpressing für die Elf von Daniel Meyer wieder eine größere Rolle. Man spielte sich zwar nicht oft nach vorne, wenn man dann aber einmal vorne war, wollte man dort auch bleiben. Aus diesem Grund versuchten die Braunschweiger situativ ins Gegenpressing zu gehen und den Ball so früh zurückzuerobern.
Die Gegenpressingabläufe sahen größtenteils sehr gut aus und führten zu frühen Balleroberungen oder verhinderten zumindest einen schnellen Spielaufbau der Schwarz-Gelben. Allerdings gab es situativ auch Aktionen, wo Fehler in den Abläufen unterliefen und der BVB sich einfach aus dem Druck der Braunschweiger befreien konnte.

In der 6. Spielminute kam es zu einem erfolgreichen Gegenpressing der Löwen. Brandt (19) erobert den Ball und spielt den Ball zurück auf Guerreiro (13). Daraufhin löst sich Brandt nach außen. Da diese Aktion aus einem Einwurf der Braunschweiger resultierte stehen Kaufmann (7) und Wiebe (23) noch sehr hoch.
Nachdem Brandt den Ball auf Guerreiro zurückspielt, läuft Abdullahi (20) den Portugiesen an und übt Druck aus. Dabei wird Brandt auf dem Flügel freigelassen.

Als Brandt nun von Guerreiro angespielt wird, rückt Kaufmann sofort auf Brandt vor und setzt ihn unter Druck. Wiebe schiebt dafür auf Reyna (32). Guerreiro und Delaney (6) wollen beide eine Anspielstation im Zentrum schaffen und stehen im Endeffekt im gleichen Raum.
Wie das Bild zeigt, stellen Abdullahi und Ben Balla (28) weitere Optionen in den Deckungsschatten, über welche sich der BVB aus dem Druck befreien könnte. Somit entsteht in Ballnähe eine 5 vs 4 Überzahl, da Zagadou (5) und Bellingham (22) nicht anspielbar sind. Brandt hat bei der Ballan- und Ballmitnahme technische Schwierigkeiten, weshalb Kaufmann durchlaufen kann und sich den Ball erobern kann.
Diese Situation zeigt, was bei den Löwen im Gegenpressing möglich ist. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass alle mutig mitmachen und dadurch alle ballnahen Anspielstationen zugestellt werden. So ist beispielsweise das Rausrücken von Wiebe besonders wichtig, da Kaufmann sonst keinen Druck auf Brandt ausüben könnte, ohne dass eine ballnahe Option (Reyna (32) in der Situation) offenbleibt.
Zusätzlich bleibt zu sagen, dass in dieser Situation auch die Konterabsicherung stimmt, da Nikolaou (4) und Wydra (6) zu zweit gegen Tigges (27) stehen.

Ein Beispiel für einen schlechten Gegenpressingmoment liefert eine Szene aus der 17. Spielminute. Morey (2) erobert den Ball gegen Kobylanski (10) und dribbelt in Richtung der Strafraumkante. Marcel Bär (15) schiebt mit auf die rechte Seite und fordert seine Teammitglieder zum Mitschieben auf. Guerreiro (13) wird zunächst von Abdullahi (20) offengelassen, weshalb er von Morey angespielt werden kann. Soweit ist dies aber nicht unüblich, da in der vorher gezeigten Szene auch der Pass an die Außenlinie ermöglicht wurde.

Nach dem Pass auf Guerreiro schiebt Abdullahi mit auf diesen, schafft es aber nicht den Portugiesen bereits bei der Ballannahme zu stören. Zusätzlich schafft Delaney (6) im Zentrum eine Anspielstation. Diese wird aber durch das weitere Einrücken von Bär verhindert. Kobylanski schließt die Rückpassoption zu Morey, welcher sich fallen lassen hat. Durch die Bewegungen von Bär und Kobylanski öffnet sich allerdings die markierte Gasse. Genau diesen Weg nutzt Guerreiro um den Ball auf Hummels (15) zu spielen und sich so aus dem Braunschweiger Druck zu befreien.
Das Problem hierbei ist, dass in Ballnähe Gleichzahl vorliegt. Dadurch haben die Braunschweiger Spieler nicht die Möglichkeit gleichzeitig den Gegner zu decken und die „Befreiungsräume“ zu schließen. In diesem Fall fehlt das Vorschieben von Kaufmann (7) oder Kammerbauer (39) um eine Überzahl zu schaffen.
Kompakter Eintracht Block macht dem BVB das Spiel schwer
Gegen den Ball formierten sich die Braunschweiger in einem 5-2-3. Allerdings unterschieden sich die beiden Flügelspieler in ihrem Anlaufverhalten. Auch die beiden Außenverteidiger rückten nach unterschiedlichen Situationen aus der Fünferkette raus. Sowohl Kaufmann als auch Schlüter rückten immer wieder früh aus der Fünferkette raus, weshalb es situativ eher nach einer Viererkette aussah. Dennoch sah man, dass sich die Braunschweiger Defensivreihe immer wieder in einer Fünferkette formierte.

Der BVB baute das Spiel stets im 4-3-3 auf. Bär (15) rückte etwas ein um so Delaney (6) zusammen mit Abdullahi entweder in den Deckungschatten zu nehmen oder zu decken. Einer der beiden rückte immer wieder vor, um den ballführenden Innenverteidiger unter Druck zu setzen
Das Einrücken von Bär führt automatisch dazu, dass Guerreiro (13) mehr Platz hat. Der Portugiese wurde im Spielaufbau immer wieder angespielt und dies galt für Kaufmann (7) als Signal aus der Kette rauszurücken. Durch das Rausrücken hatte der linke Flügelspieler, in diesem Fall Reyna (32) mehr Platz, dies wurde aber durch das Durchschieben von Wiebe (23) verhindert.
Spielte Guerreiro den Ball wieder zurück zu einem der Innenverteidiger, so ließ sich Kaufmann wieder fallen.

Auf der linken Seite sahen die Pressingabläufe etwas anders aus. Dort lief Kobylanski (10) den Außenverteidiger Morey (2) an. Bei einem Anspiel auf den rechten Flügelspieler, in diesem Fall Sancho (7), rückte Schlüter (3) aus der Fünferkette raus und übte Druck auf den Dortmunder Flügelspieler aus. Dieser Ablauf war unabhängig davon, ob Sancho oder Reyna auf dem rechten Flügel der Dortmunder agierte.
Fazit
Das Pokalspiel gegen den BVB war definitiv ein Lichtblick. Zwar reichte es nicht für das Weiterkommen, dies war realistischerweise gegen Borussia Dortmund auch nicht zu erwarten.
Insbesondere die konzentrierte Arbeit gegen den Ball ermöglichte es den Braunschweigern das Spiel lange offen zu halten. Allerdings zeigten die Löwen nicht nur gegen den all Fortschritte. Durch das Fehlen von Proschwitz in der Startelf wurde auch weniger auf lange Bälle gesetzt, was das Spiel aus Braunschweiger Sicht auch immer wieder beruhigte und Sicherheit gab. Allerdings fiel die Spielfortsetzung in vielen Situationen noch schwer, wobei man hier auch nicht vergessen darf, dass der Gegner der BVB war. Gegen die Schwarz-Gelben das Spiel immer wieder flach zu eröffnen zeugt von Mut, welcher in den letzten Wochen nicht immer zu sehen war im Spielaufbau. Ein weiterer positiver Punkt war das Gegenpressing, was die Mannschaft zumindest situativ gut umsetzte und frühe Ballgewinne generierte.
Alles in einem lässt sich sagen, dass dieses Spiel viele gute Ansätze enthielt, womit man in der 2. Liga definitiv punkten kann. Man darf gespannt sein, was die Löwen tatsächlich davon in der Liga umsetzen und ob man eventuell einige Sachen schon übermorgen gegen den FC Erzgebirge Aue sieht.
Ein frohes neues Jahr wünscht euch die Blau-Gelbe-Datenwelt! Auf geht´s Löwen kämpfen und siegen!