Vier Formate für Eintracht – eine Adresse für Fans.

Von der Rolle. Den blau-gelben Faden verloren?

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Vier Spiele, ein Punkt. Eintracht Braunschweig ist zurück im Tabellenkeller und findet nicht mehr in die Spur. BTSV scheint den Faden verloren zu haben. Warum? Eine kurze Analyse.

Moin Löwen!

Eintracht wirkte gegen Hansa Rostock völlig von der Rolle. Das Abstiegsgespenst ist wieder da und verbreitet Schrecken. Dabei waren wir doch so gut in der Spur. Was ist passiert?

Die aktuelle Lage hat mehrere Gründe. Werfen wir zunächst einen Blick auf das letzte Jahr. Daniel Scherning übernahm die Eintracht vor dem Spiel gegen den VfL Osnabrück. In der Folge verließ der BTSV die Abstiegsränge sogar für einige Zeit. Alles schien zu laufen, und der Verein verlängerte den Vertrag mit Scherning vorzeitig. Seitdem läuft es allerdings nicht mehr, was auch ein schlechtes Licht auf die Vertragsverlängerung wirft.

Ein Knackpunkt scheint die 2. Halbzeit gegen Hertha BSC zu sein. In der ersten Hälfte dominierte man die Herthaner und spielte eine der besten Halbzeiten unter Scherning. In der zweiten Halbzeit stellte Hertha taktisch von einem 4-2-3-1 auf ein 4-3-3 um und lief die Eintracht-Defensive im Aufbau hoch und direkt an. Damit kam die Eintracht überhaupt nicht klar, da es in der Abwehr keinen spielstarken Innenverteidiger gibt. In der ersten Hälfte spielte die Eintracht 10 % lange Bälle, in der zweiten Hälfte waren es ca. 14 %. Die Passquote sank von 85 % auf 75 %. Auch gegen St. Pauli hatte man mit der taktischen Umstellung des Gegners Probleme.

Die stabile Abwehr war unter Scherning die Trumpfkarte der Eintracht. Die Grundformation, ein 3-1-4-2, engt die Räume in der Mitte ein und sorgt für Kompaktheit. Dadurch kann der Gegner nicht leicht zu Torerfolgen kommen.

Aktuell liegt das Problem jedoch darin, dass die Eintracht entschlüsselt wurde. Scherning stellt nur selten im Personal um und ließ fast immer die gleiche Startelf spielen. Er verließ sich dabei auf die Defensive und die Umschaltsituationen. Anfangs war der Gegner davon überrascht, aber seit spätestens den Spielen gegen Pauli und Hertha weiß jeder, wie man gegen die Eintracht spielen muss.

Schauen wir uns zum Beispiel die Konter an. Im Schnitt waren es bisher 2,2 pro Spiel. Seit dem Spiel gegen St. Pauli hat die Eintracht jedoch nur noch 1,25 Konter pro Spiel, von denen keiner mit einem Schuss abgeschlossen werden konnte. Davor konnte man fast jeden zweiten Konter erfolgreich zu Ende spielen. Rechnet man die erste Halbzeit gegen Hertha heraus, hatte die Eintracht in vier Partien insgesamt nur zwei Konter. In den letzten zwei Spielen gab es sogar keinen einzigen, was sich auch im Endergebnis widerspiegelt.

Der Trainer sagte nach der Partie gegen Rostock: „Hinten raus war der Wille erkennbar. Man muss aber auch sagen, dass es zu wenig war. Zu wenig klare Bälle in die Box, zu wenig erste und zweite Bälle. Dadurch haben wir auch keine zweiten Wellen bilden können.“ Ich denke, in diesem Satz steckt viel Wahrheit. Aktuell verlässt sich die Eintracht sehr auf die zweiten Bälle und Mentalität. Gewinnt sie die Bälle im Mittelfeld oder im letzten Drittel, ist der Gegner vielleicht etwas unorganisiert und man kann Tempo aufnehmen, um theoretisch mit unseren schnellen Spielern wie Rayan Philippe oder Fabio Kaufmann die gegnerische Abwehr zu überlaufen. Derzeit scheint es jedoch, dass genau dieser Plan nicht aufgeht.

Dazu kommt die Formtiefe einiger Spieler. Am Anfang schienen einige Spieler richtig aufzublühen. Der neue Trainer-Effekt war deutlich zu sehen, und man erreichte eine Höhenwelle. Die 9 Spiele vor St. Pauli hatten allerdings noch wenig statistische Relevanz. Es gab klare Warnzeichen, dass es nicht ewig so weitergehen würde. Die Expected Goals zum Beispiel: Der Gegner hat in diesen 9 Partien nur 13 Tore geschossen, doch zu erwarten waren über 16 Gegentreffer. In den letzten vier Partien ist ein Stück Normalität eingetreten. Von 5,7 erwarteten Gegentoren sind 5 ins Tor der Eintracht gelandet.

In der Offensive hat die Eintracht ein ganz anderes Problem. Unter Scherning hat sie zwar ca. 20 erwartete Tore erzielt, aber nur 15 Tore. Sie bleibt damit unter den Erwartungen und steckt aktuell auch in einer Formkrise. Hier sollte man allerdings etwas genauer hinter die Zahlen schauen. Die Eintracht schießt fast immer direkt und aus allen Lagen. Man spielt keinen Extrapass oder wendet keine Finte an, um mehr Raum zu schaffen. Bei Umschaltsituationen hat man oft den freien Raum, aber gegen eine organisierte Abwehr landen die Schüsse meistens im Nichts. In den letzten vier Partien gingen nur 9 von 39 Schüssen aufs gegnerische Tor, das sind nur 23 %. Der Saisondurchschnitt liegt hier bei 30 %.

Schießen von überall. Eintracht hat damit Probleme das Tor zu treffen. Hier die Schüsse gegen Nürnberg.

Was tun? Nun ja, eins ist klar: Die Mentalität im Team muss stimmen. Die Spieler müssen den Abstiegskampf voll annehmen und sich jetzt nicht hängen lassen. Für die aktuelle Taktik ist allerdings der Trainer verantwortlich. Die Eintracht braucht dringend einen besseren Plan B als nur auf zweite Bälle zu setzen. Auf zweite Bälle zu bauen ist okay, aber reicht in der zweiten Liga alleine nicht aus. Im Training sollten daher drei Dinge wichtig sein.

Punkt 1: Spielaufbau

Es ist mittlerweile bekannt, wie der Gegner den Spielaufbau der Eintracht unter Druck setzt. Durch hohes Anlaufen der Abwehrspieler gerät der 3-1-Aufbau ins Stocken, was zu langen Bällen führt. Gegen Rostock waren es mit 21 % die meisten langen Bälle im Verhältnis seit Scherning im Amt ist. In der zweiten Halbzeit gegen den 1. FC Nürnberg hat man auf eine Doppelsechs umgestellt. Mit dem 3-2-Aufbau reduzierten sich die langen Bälle etwas und man hatte im Aufbau mehr Passoptionen.

In der Defensive hat man leider nur Spielertypen, die auf Balleroberung fokussiert sind. Auf der Sechs hingegen gibt es mehr Optionen. Der Kapitän, Jannis Nikolaou, sollte zum Beispiel eine neue Chance bekommen. Er ist ein klassischer Sechser und kann das Spiel besser aufbauen als ein Balleroberer. Auch der Neuzugang Hampus Finndell ist im zentralen Mittelfeld als tief liegender Spielmacher am stärksten. Scherning sieht ihn allerdings aktuell eher als Achter und er kam zuletzt nur von der Bank. Die Sechserposition braucht jedoch dringend neue Spielertypen. Auch Sebastian Griesbeck gehört nicht in die Abwehr, sondern ins defensive Mittelfeld. Eine taktische Veränderungen im Aufbau ist so machbar. Der Sechser könnte zum Beispiel Abkippen und im Aufbau den Verteidigern helfen. Auch die Innenverteidiger sollten sich ruhig mal öfter ein Dribbling ins Mittelfeld erlauben.

Punkt 2: Spiel im letzten Drittel

Es sollten gezielt Situationen trainiert werden, wie man eine tiefstehende Abwehr überwindet. Man kann nicht einfach aus jeder Situation heraus schießen und auf das Beste hoffen. Auch hier wären Personalwechsel angesagt. Youssef Amyn hat international im Asian Cup ordentlich Selbstvertrauen getankt. Er ist vom Typ her genau der Spieler, den die Eintracht braucht, wenn Plan A nicht funktioniert. Er könnte von der Bank kommen und mit seinen Straßenfußballerqualitäten jede Abwehr in der 2. Liga schwindelig spielen. Das Problem bei ihm ist, dass er die Winter-Vorbereitung verpasst hat und das jetzige System und die Taktik nicht auf ihn abgestimmt sind. Als Joker sollte er aber immer gesetzt sein.

Bei Standardsituationen hat sich die Eintracht leicht verbessert, aber die fehlende Torausbeute zeigt, dass hier noch Luft nach oben ist. Daran sollte weiterhin gearbeitet werden. In diesem Bereich bin ich jedoch optimistischer als in anderen. Gegen Rostock hatte Robert Ivanov nach einer Ecke den Führungstreffer auf dem Fuß, verfehlte aber nur knapp.

Punkt 3: Zweite Bälle unter Druck

Wenn die Eintracht gezielt auf zweite Bälle bauen möchte, dann sollten diese auch optimal funktionieren. Gegen Hansa Rostock spielte man die Bälle allerdings ziemlich blind nach vorne und nicht in Räume hinein, in denen man selbst am stärksten ist und sich im Vorteil sieht. Da der Gegner mit hohem und direktem Anlaufen die Abwehrspieler zu Fehlentscheidungen zwingt, verliert man diesen Vorteil.

Ein Beispiel aus der 34. Spielminute:

Hansa läuft die Abwehr direkt Mann gegen Mann an. Die Eintracht fühlt sich gezwungen, zurückzuspielen und Ron-Thorben Hoffmann schlägt den Ball. Er visiert Zielspieler Anthony Ujah an, der im Mittelfeld aber in einer 3:1-Unterzahlsituation am Ball ist.

Will die Eintracht so das Spiel gestalten, muss sie diese Drucksituationen üben und besser lösen. Anscheinend sollte es ihr Ziel sein, den Ball möglichst oft in die Räume zu spielen, in denen sie sich einen Vorteil verschaffen kann.

Fazit

Die Eintracht muss sich steigern und neue Lösungen finden. Das Gerüst stimmt, aber der Gegner hat sich darauf eingestellt. Die nächsten Wochen werden zeigen, ob die Eintracht jetzt vom Gegner lernen kann, ihre Schwachstellen abstellt und neue Stärken entwickelt.

Mich würde eure Meinung interessieren: Schafft die Eintracht noch den Klassenerhalt? Und wenn ja, was braucht sie dafür? Schreibt mir eure Meinung gerne in die Kommentare.

Daten von Wyscout. Spielereinschätzungen mit der Hilfe von GSN.

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1 thought on “Von der Rolle. Den blau-gelben Faden verloren?

  1. Danke Jussi! Das war mal wieder sehr erhellend! An den direkten Klassenerhalt glaube ich nicht mehr, Relegation vielleicht …

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