Taktikanalyse: Einfallslose Braunschweiger verlieren gegen starke Osnabrücker
9 min readHallo Löwen,
Blau-Gelbe Datenwelt feiert mit euch 125 Jahre Eintracht Braunschweig!
Wir zelebrieren mit einer Taktikanalyse. Ein Gastbeitrag von Jonas Schaar. Viel Spaß!
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Am Sonntag verlor Eintracht Braunschweig an der Hamburger Straße gegen den VfL Osnabrück mit 0:2. Erneut gingen die Gegner der Löwen früh in Führung. Im weiteren Verlauf der Partie verhinderte ein überragender Fejzic weitere Gegentreffer. Osnabrück-Keeper Kühn musste keinen Schuss parieren, da die Braunschweiger nicht einmal auf das Tor schossen. Wie kam es zu der Niederlage und was kann man Positives als Löwenfan aus dem Spiel mitnehmen?

Aufstellungen
Meyer blieb nach dem 2:1-Heimsieg über den FC Sankt Pauli dem 5-3-2-System treu. Personell veränderte sich die Startaufstellung auf zwei Position. Im Vergleich zur letzten Partie musste Meyer den sich in Quarantäne befindenden Danilo Wiebe ersetzen. Für ihn rotierte Ben-Balla in die Startelf, Ben-Balla übernahm die Position im Zentrum von Kammerbauer und Kammerbauer übernahm die Position als rechter Flügelverteidiger. Felix Burmeister ersetzte als rechter Halbverteidiger den verletzten Benjamin Kessel.
Die Auswechslungen während der Partie sorgten für weitere Positionswechsel. Abdullahi ersetzte Bär in der Halbzeit positionsgetreu. Kaufmann ersetzte in der 66. Minute Ben Balla, Kaufmann agierte nach seiner Einwechslung als rechter Flügelverteidiger. Für ihn rückte Kammerbauer ins zentrale Mittelfeld. In der 74. Minute ersetzte May Kammerbauer und Schwenk kam für Proschwitz in das Team. Schwenk orientierte sich auf die Kobylanski-Position und Kobylanski agierte als zweiter Stürmer.
Marco Grote schickte seine Mannschaft in einem 4-1-2-1-2-Syste in das Spiel, wobei es im Mittelfeld zu vielen variablen Positionswechseln kam.
Fehlende Alternative zu den lange Bällen im Braunschweiger Spiel
Wie schon im vergangenen Heimspiel versuchten die Braunschweiger das Spiel mit langen Bällen zu eröffnen. Auch dieses Mal war Proschwitz der Zielspieler, welcher von Bär hinterlaufen wurde und den Ball auf diesen verlängern sollte. Kobylanski ließ sich in diesen Situationen etwas fallen, damit Proschwitz die Möglichkeit hat den Ball klatschen zu lassen. In diese Situationen kamen die Braunschweiger in der Partie kaum, was ein großes Problem der Braunschweiger offenbarte.
Klappt die Variante hoher Ball auf Proschwitz und eine Anschlussaktion nicht, so fällt den Braunschweigern aktuell sehr wenig ein. Dies hängt auch damit zusammen, dass der ballführende Spieler kaum Anspielstationen in Ballnähe hat, weshalb der lange Ball die einzige Möglichkeit ist die Situation zu lösen.

In dieser Szene spielt Schlüter (3) den Ball von der linken Seite ins Zentrum auf Kobylanski (10). Dieser verlagert das Spiel auf die rechte Seite zu Kammerbauer (39), welcher von Blacha (23) angelaufen wird. Diese Verlagerung vom Zentrum auf die rechte Seite sah man bereits in der vergangenen Woche gegen den FC Sankt Pauli. So entstand beispielsweise auch der 2:1-Siegtreffer durch Kaufmann.

Im vergangenen Spiel wurde zweimal versucht, nach dieser Verlagerung auf den startendenden Stürmer zu spielen. Bär (15) ist in dieser Szene bereits tief positioniert und zieht somit Wolze (19) mit in diesen Raum. Dadurch ist ein schnelles Weiterleiten in die Tiefe in den Lauf des Stürmers nicht möglich, da dieser Raum bereits besetzt ist.
Kammerbauer hat als ballbesitzender Spieler keine Anspielstation in Ballnähe, womit er Druck auf die Osnabrücker Kette ausüben könnte. Somit bleibt im Endeffekt nur der Rückpass auf Burmeister (19), welcher den Ball dann wieder versuchte lang nach vorne zu spielen.
In dieser Szene ist gut zu sehen, wie stark die Elf von Daniel Meyer von den langen Bällen abhängig ist. Durch die schnelle Verlagerung von der linken Seite über Kobylanski auf Kammerbauer, muss Osnabrück erstmal hinterherschieben. So entsteht situativ in dem markierten Raum eine 2 vs 2-Situation.
Mithilfe eines zentralen Mittelfeldspielers, der mitschiebt, ließe sich eine Überzahlsituation herstellen. Kammerbauer könnte sich beispielsweise über einen Doppelpass mit dem einrückenden Kroos (18) befreien. So wäre Blacha überspielt und Braunschweig könnte Druck auf die Kette ausüben.
Da eine solche Aktion aber gar nicht ermöglicht wird, bleibt nur der Rückpass auf Burmeister, welcher keinen Druck auf die Osnabrücker ausübt.
Pressing als Lichtblick im Spiel der Löwen
Die Gäste versuchten das Spiel beim Abstoß immer wieder über tiefe Innenverteidiger und relativ tiefe Außenverteidiger zu eröffnen. Allerdings stellte Braunschweig Osnabrück bereits weit in deren Hälfte zu. Daraus resultierte, dass sich oftmals einer der Mittelfeldspieler zwischen die Innenverteidiger fallen ließ. So entstand dann eine 3 vs 2-Überzahl für Osnabrück gegen Proschwitz und Bär. In der 1. Halbzeit schoben die beiden Braunschweiger Stürmer bis an den gegnerischen Strafraum vor, in der 2. Halbzeit ließen sich die Braunschweiger etwas weiter fallen. Erst in der Schlussphase schob der Braunschweiger Block wieder weiter nach vorne. Das Pressing der Löwen ist nicht immer perfekt, in vielen Situationen schaffen sie aber guten Zugriff und kommen zu frühen Balleroberungen.

So auch in der 35. Spielminute. Kühn (22) eröffnet das Spiel flach auf Beermann (33). Dieser wird im Bogen von Proschwitz (33) angelaufen und spielt den Ball weiter auf Ajdini (7). Schlüter (3) startete seinen Lauf bereits beim kurzen Abspiel auf Beermann, so konnte er beim Weiterspiel auf Ajdini sofort Druck auf diesen ausüben. Kobylanski (10) macht die Anspielstation im Zentrum zu. Reis (6) verlässt seine Position und orientiert sich auf den rechten Flügel und versucht so eine Anspielstation entlang der Außenlinie zu schaffen. Ben Balla (28) verfolgt diesen und kann ihn bei der Ballannahme entscheidend stören und den Ball erobern.
Diese Szene zeigt, welches Potential das hohe Anlaufen der Löwen birgt, wenn es sauber (alle ballnahen Anspielstationen schließen) und mutig durchgeführt wird.

Auf der anderen Seite gibt es dann wiederum Situationen, wo die Braunschweiger hoch anlaufen, dann aber in Ballnähe eine Anspielstation offenlassen. Eine solche Situation ereignete sich in der 80. Minute.
Kühn (22) eröffnet das Spiel auf Trapp (18). Dieser wird im Bogen von Abdullahi (20) angelaufen und spielt den Ball auf Wolze (19) weiter. Dieser hat nach der Ballannahme zunächst einmal Zeit um sich zu orientieren, da Abdullahi keinen Druck auf ihn ausüben kann und Kaufmanns (7) Distanz zu Wolze sehr groß ist. Aufgrund dieser Distanz kann auch Kaufmann keinen Druck auf Wolze ausüben. Natürlich ist hierbei zu beachten, dass es sich um die 80. Spielminute handelt, dennoch sollte das Anlaufen konsequent durchgeführt werden (alle hoch oder tief fallen lassen). So ist nämlich der Weg von Abdullahi de facto unnötig.
Ähnliche Situationen gab es auch in der 1. Halbzeit, wo in Ballnähe eine Anspielstation offengelassen wurde und die Gäste so das Braunschweiger Pressing überspielen konnten.
Braunschweiger Probleme mit der Rückraumdeckung

Bereits in der 3. Spielminute musste Fejzic (16) das erste Mal hinter sich greifen. Auslöser war ein Einwurf, welchen Wolze (19) in den Rücken von Kammerbauer (39) auf Ihorst (27) warf. Da Kammerbauer überspielt war, rückte Burmeister (19) raus und orientierte sich zu Ihorst (27). Der Osnabrücker setzte sich durch und kam bis zur Grundlinie durch. Wydra (6), Nikolaou (4) und Schlüter (3) verschoben alle ballorientiert in Richtung Ihorst.
Parallel dazu bot sich Amenyido (14) ballnah an, welcher von Kroos (18) gedeckt wurde. Blacha (23) stieß aus dem zentralen Mittelfeld bis in die Sturmspitze vor. Doch wieso ist genau dieser Lauf Blachas so wichtig?
Ben Balla war Blacha zugeteilt. Blacha startet seinen Lauf genau in die Lücke zwischen Schlüter und Nikolaou. Anstatt, dass einer der beiden Verteidiger (Nikolaou & Schlüter) den einlaufenden Stürmer übernimmt, folgt Ben Balla dem Osnabrücker Mittelfeldspieler weiter.
Die flache Flanke von Ihorst wird von Wydra abgefälscht, weshalb sie erst in den Rückraum geht. Dieser Faktor ist natürlich unglücklich, dennoch muss auch in einer solchen Situation der Rückraum abgesichert werden. Da sich aber alle Braunschweiger Defensivspieler in Richtung Tor orientieren, ist der Rückraum komplett ungedeckt und Kerk kann zum 0:1 einschießen.
Ob es in dieser Situation ein Problem in der Abstimmung der Braunschweiger Defensive gab, ist aus der Distanz schwer zu beurteilen. Vorstellbar ist es aufgrund des Ausgangs der Situation dennoch. Übergibt Ben Balla Blacha nämlich an einen der beiden Verteidiger, kann sich Ben Balla absetzen und den Rückraum decken. Andererseits kann Ben Balla auch mit dem einlaufenden Stürmer mitgehen, dafür müsste sich allerdings Schlüter in den Rückraum begeben. Dies würde das Risiko mit sich bringen, dass der zweite Pfosten offen wäre, was aber zumindest bezogen auf diese Situation kein Problem wäre, da am zweiten Pfosten kein Osnabrücker nachrückte.
Das zweite Gegentor resultierte aus großer Passivität, da die Osnabrücker kurz vor dem Strafraum sich mit einem einfachen Doppelpass gegen drei Braunschweiger durchsetzen konnten. Dieser Doppelpass ermöglichte Multhaup eine relativ freie Schussbahn.

Das Problem der fehlenden Rückraumdeckung eröffnete sich auch rund sechs Minuten später bei einer Ecke der Lila-Weißen. Amenyido und Kerk stellten sich zur Ausführung der Ecke. Um bei einer kurz ausgeführten Ecke Druck auf Kerk und Amenyido ausüben zu können, orientierte sich Bär in Richtung der Eckfahne. Kobylanski versperrte den flachen Passweg in den Rückraum und hatte durch seine Positionierung auch die Möglichkeit bei einer kurzen Ausführung Druck auszuüben. Zusammen mit Bär hätte so bei einer kurzen Ausführung eine 2 vs 2-Situation hergestellt werden können.
Im Zentrum spielte Braunschweig eine Mischung aus Raum- und Manndeckung. Kerk spielte den Ball hoch auf die Strafraumkante auf Wolze (19), welcher von außerhalb des Strafraums startete. Dadurch, dass Ihorst (27) und Beermann (33) Ben Balla und Wydra blockten, kann Wolze im Rückraum frei abschließen. Aus Braunschweiger Sicht setzte Wolze den Ball glücklicherweise neben das Tor.
Ist die Kritik an Kobylanski berechtigt?
In den sozialen Medien wurde nach der Partie unter anderem Kapitän Martin Kobylanski hart von Seiten der Fans kritisiert. Es ist nicht abzustreiten, dass er in diesem Spiel, ähnlich auch schon wie im letzten Spiel sehr unauffällig war. Warum schafft er es aktuell nicht sich mit seinen Stärken in das Spiel einzubringen?
Problematisch ist hierbei auf jeden Fall die aktuelle Spielweise. Die Spieleröffnung erfolgt zumeist hoch auf Proschwitz und somit über Kobylanski hinweg. Insbesondere in der Partie gegen die Lila-Weißen kam es zu sehr wenig Ablagen auf den Kapitän der Löwen.
Kobylanski war in der Partie immer wieder bemüht, sich aktiv am Spiel zu beteiligen und hat sich teilweise sehr weit fallen gelassen und agierte teilweise zwischen den denfensiven Mittelfeldspielern und den Verteidigern. Von dort versuchte er sich aktiv am Spielaufbau zu beteiligen, fehlte logischerweise dann aber in den entscheidenden Zonen, wo er normalerweise zu finden ist.
Aktuell schaffen es die Braunschweiger nicht, Kobylanskis Stärken in das System zu integrieren. Als Spielgestalter kommt er so kaum zur Geltung.
Die Kritik an Kobylanski ist somit größtenteils unberechtigt, da er aufgrund des Spielsystems nur begrenzt handlungsfähig ist. Über seine Kommunikation lässt sich aufgrund der Fernsehbilder nichts sagen.
Fazit
Diese Partie verloren die Löwen hochverdient. Die Gäste waren über 90 Minuten die klar bessere Mannschaft und spielten sich zahlreiche Torchancen raus. Braunschweig zeigte sich erneut offensiv ziemlich ungefährlich und verließ sich in dem Spiel einmal mehr auf lange Bälle. Spielerisch lässt sich im Vergleich zwischen dem Heimsieg gegen FC Sankt Pauli und der Niederlage kaum eine Entwicklung erkennen.
Dennoch ist jetzt keine Schwarzmalerei angesagt. Die Pressingabläufe sehen teilweise sehr ordentlich aus und resultieren in hohen Ballgewinnen. Nun müssen die Löwen Lösungen finden, wie sie diese Ballgewinne in etwas Zählbares umwandeln. Wünschenswert wäre hierbei, dass nicht der erste Weg in Richtung Proschwitz gesucht wird, sondern auch eventuell der Faktor Kobylanski wieder mehr in das Spiel kommt.
Bereits am Mittwoch geht es weiter gegen den SC Paderborn 07. Die Blau-Weißen sind seit mittlerweile drei Spielen ohne Punktgewinn. Auf geht´s Löwen, kämpfen und siegen!