Des Kaisers neue Kleider – Die Wahrheit über Eintrachts „Vollgas-Fußball“
4 min readMoin Löwen!
Die sportliche Lage bei Eintracht Braunschweig ist bedrohlich, und am Trainerstuhl wird kräftig gerüttelt. Eintracht schafft es aktuell nicht, in Partien, in denen man ebenbürtig ist, zu punkten. Es droht eine Abwärtsspirale, die man eventuell nur mit einem Trainerwechsel stoppen kann.
Doch auch unabhängig von der sportlichen Lage sollte man sich an der Hamburger Straße hinterfragen, ob man aktuell so einen Fußball spielt, den man Anfang der Saison spielen wollte und den man uns Fans versprochen hat.

Was meine ich damit?
Nun, schauen wir mal auf den Sommer zurück. Eintracht holt einen Trainer, von dem sie ausgehen, dass er von seinem Stil her perfekt zur Eintracht passt. Zitat von Geschäftsführer Sport Benjamin Kessel über Heiner Backhaus am 17.6.2025:
„Wir freuen uns sehr, Heiner Backhaus als unseren neuen Cheftrainer präsentieren zu können“, und weiter: Der 43-Jährige stehe für eine „klare fußballerische Ausrichtung, mit einer positiven und selbstbewussten Einstellung sowie hoher Intensität und viel Leidenschaft. Zudem hat uns Heiner als Typ absolut überzeugt, er passt hervorragend zu unserer Eintracht und wird mit seiner emotionalen, mitreißenden Art vorangehen“, so Kessel.
Laut Kessel waren neben seinen Qualitäten im Mentalitätsbereich sein Fußball mit hoher Intensität und viel Leidenschaft ein klares Kriterium pro Backhaus, was laut Medieninfos Eintracht sogar 100.000 Euro Ablöse gekostet hat. Dass es Kessel um Mentalität und Intensität geht, unterstreicht er nochmal beim NDR am 17.10.2025, als es schon nicht so gut bei der Eintracht läuft.
In dem Interview mit dem NDR sagte er: „Dieses Intensive ist etwas, das die Leute hier auch sehen wollen.“ (Sie wollen sehen, wie) „um jeden Ball gekämpft wird, dass vorne angelaufen wird“. Laut NDR war Kessel von der Entscheidung, mit dem Backhaus „Jagd-Fußball“ überzeugt.
Zusammengefasst: Der Eintracht-Boss hat eine aktive Spielweise, Aggressivität und Kampf- und Lauffußball bestellt. Doch bekommt er diese auch vom Trainer?
Hier sagt die Analyse ganz klar: Nein, bekommt er nicht.
Laut der Datenfirma Impect hat Eintrachts Fußball aktuell überhaupt nichts mit „Jagdfußball“ oder „Vollgasfußball“ bzw. „Heavy Metal“-Fußball zu tun. Ganz und gar nicht. In der Kategorie „Heavy Metal“, Vorbild Jürgen Klopp, ist Eintracht laut Impect Letzter. Soll heißen, der aktuelle Spielstil von Backhaus ist das totale Gegenteil vom Jagdfußball. Eintracht ist 15. in der Anlaufshöhe, 18. in offensiven Balleroberungen und 17. beim Umschalten. Bei den zweiten Bällen ist der BTSV immerhin 7., was man noch als Merkmal in dieser Kategorie einordnen kann.
Nun, was für ein Fußball spielt die Eintracht denn? Laut Impect geht es eher Richtung Vorbild Mourinho: „Safety first“. Hier geht es um ein kompaktes Spiel gegen den Ball, Stabilität und Sicherheit im Spielaufbau. Das ist kein Problem, nur es ist nicht das, was die Eintracht-Bosse dachten, was sie eventuell bekommen, und es ist definitiv nicht das, was uns Fans versprochen wurde.
Es ist schon ein wenig verwunderlich, wie man überhaupt darauf gekommen ist, dass man mit Backhaus „Vollgasfußball“ bekommt. Zitat von Backhaus selbst in einem Interview in der Braunschweiger Zeitung am 25.6.2025:
„Der Grundstein war immer die Mentalität. Disziplin, Organisation, Leidenschaft – in diesen Bereichen wollen wir eine Topmannschaft sein.“
Disziplin, Organisation, Leidenschaft? Klingt für mich erstmal mehr nach Mourinhos „Safety first“ als Klopps „Heavy Metal“, was ich als intensives Gegenpressing, hohes Anlaufen und schnelles Umschalten verstehe.
Umso merkwürdiger klingt für mich dann seine Aussage vor dem ersten Heimspiel am 8.8.2025: „Ich freue mich darauf, dass uns die Fans bei meinem Versprechen unterstützen, hier Vollgasfußball zu spielen.“
Bin ich der Einzige, der verwirrt ist? Was für einen Fußball will Backhaus spielen, wenn er vom „Vollgasfußball“ spricht, und was verstehen die Eintracht-Bosse vom „Jagdfußball“? Hat man einen Ferrari gekauft und einen VW bekommen, oder handelt es sich hier um eine Misskommunikation Richtung der Fans?
Eins ist dennoch klar: Mit Vollgas hat der aktuelle Fußball von Backahaus überhaupt nichts zu tun. Und wenn man selbst das nicht hinbekommt, also Fußball so zu spielen, wie man es eigentlich vorhatte oder nach außen kommuniziert hat, fragt man sich als Fan, was noch so anderes im Kubus nicht gesehen wird? Denn der Kaiser hat keine Kleider.
Author ist Fan von Eintracht Braunschweig seit 2002 und aktuell Scout/Analyst in der 1. Frauen Bundesliga.
